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Politiker lügen? Wir Bürger kriegen eh alles, was wir wollen

APA/HELMUT FOHRINGER
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Im post-postfaktischen Zeitalter sollten Mächtige nicht plump die Unwahrheit sagen. Aber wie ist es mit der elegant zurechtgebogenen Wahrheit?

„Kriegst eh alles, was du willst“: Ist ein Kanzler, der einem ihm herzlich verbundenen Funktionär solcherart einen hohen Posten in Aussicht stellt, über den Prozess seiner Bestellung nur informiert oder darin doch eher involviert? Könnte eng werden für Kurz. Ach: Seit Staatsanwälte, Journalisten und sonstige Wahrheitsfanatiker mit der lästigen Gewaltenteilung Ernst machen, sich ins Geschäft der Mächtigen einmischen und jedes Wort auf die Goldwaage legen, müssen Politiker ihre Künste verfeinern. Die postfaktische Lizenz zur offenen Lüge galt auch in Amerika nur vier Jahre lang. Jetzt heißt es wieder: Die zum Machterhalt unabdingbaren Halb- und Unwahrheiten sind vorsichtig unters Volk zu bringen. Was nicht immer gelingt.

Man denke etwa an Walter Ulbricht. Der oberste Genosse der DDR zerstreute 1961 Gerüchte über eine baldige Befestigung der Staatsgrenze anfangs mustergültig: „Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen.“ Leider blies er den comme il faut erzeugten Nebel des Ungewissen und der allfälligen Ahnungslosigkeit zwei Sätze weiter selbst beiseite: Sein fatal apodiktisches „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ dient noch der fernen Nachwelt zum Gespött.

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