Nach Wien-Terror: Junger Verdächtiger wieder auf freiem Fuß

Terroranschlag in Wien Wien, Bermuda Dreieck, 04. 11. 2020 Spuren des Terrors - Menschen gedenken der Opfer und z�nden K
Terroranschlag in Wien Wien, Bermuda Dreieck, 04. 11. 2020 Spuren des Terrors - Menschen gedenken der Opfer und z�nden K(c) imago images/SKATA (via www.imago-images.de)
  • Drucken

Auch ein 16-Jähriger wurde nach dem Anschlag vom 2. November in U-Haft genommen. Seit Dienstag ist er wieder frei. Er muss nun etliche Auflagen erfüllen.

Nach dem Wien-Terror, bei dem der österreichisch-nordmazedonische Doppelstaatsbürger mit albanischen Wurzeln, K. F. (20), vier Menschen getötet und 23 verletzt hatte, wurde ein Dutzend junger mutmaßlicher Jihadisten in U-Haft genommen. Einer davon, ein erst 16-jähriger Kosovoalbaner, galt als ein zum harten Kern zählender Verdächtiger. Ebendieser Jugendliche wurde Dienstagnachmittag aus der U-Haft entlassen.

Der 16-Jährige stand ursprünglich nicht nur im Verdacht, Mitglied der Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu sein (auch der bei dem Anschlag von der Polizei erschossene Attentäter war IS-Mitglied) – vielmehr soll Ersterer auch am Anschlag selbst beteiligt gewesen sein. So sah zumindest der anfängliche Verdacht aus. Allerdings stockten die Ermittlungen, da sich ein Mobiltelefon des jungen Verdächtigen nicht knacken ließ. Und der Jugendliche auch nicht gerade durch Kooperation glänzte.

Er weigert sich bis heute den Verfassungsschutz-Ermittlern seinen Handy-Code zu verraten. Auch bei Vernehmungen zeigte er sich stets schweigsam. Selbst mit Hilfe von Europol konnte der Code bisher nicht geknackt werden.

Mittlerweile hat sich die Situation für den jungen Mann gedreht: Der dringende Tatverdacht im Hinblick auf die Beteiligung am Wien-Terror hat sich nicht erhärtet. So heißt es in einem druckfrischen – der „Presse“ vorliegenden – Beschluss eines Drei-Richter-Senats des Oberlandesgerichts (OLG) Wien: „Festzuhalten ist jedenfalls, dass auch aus polizeilicher Sicht – trotz des bislang nicht entsperrten Telefons – bestätigt wird, dass der ursprüngliche Verdacht, der Beschuldigte hätte sich in irgendeiner Weise am Attentat des K. F. in Wien am 2. 11. 2020 beteiligt, im Verlauf des Ermittlungsverfahrens nicht bestätigt bzw. nicht konkretisiert hat.“

Haftbeschwerde ging beim Oberlandesgericht durch

Auf dieses Resultat hatte zuvor eine Haftbeschwerde von Rechtsvertreter Philipp Wolm abgezielt. Auch diese Beschwerde liegt der „Presse“ vor. Darin wurden bereits die Weichen für den weiteren Umgang mit dem nach wie vor unter dem Verdacht der IS-Mitgliedschaft stehenden jungen Mann gestellt: Er muss nun, nachdem er seine Freiheit mehr als ein halbes Jahr nach seiner Verhaftung wiedererlangt hat, ein engmaschiges Programm über sich ergehen lassen.

So muss er (nach wie vor drohen ihm wegen IS-Mitgliedschaft bis zu fünf Jahre Haft) eine ganze Palette an Weisungen befolgen. Rechtsvertreter Wolm unterstreicht aber, dass andererseits der dringende Tatverdacht in Richtung Beteiligung am Wien-Terror vom Tisch sei. So muss der 16-Jährige künftig bei seinen Eltern (in Wien) wohnen. Kontakte mit seinem Bruder, der seinerseits in Verdacht steht, Islamist zu sein, dürfen nur noch in Beisein von Betreuern des Bewährungshilfe-Vereins Neustart oder des Deradikalisierungs-Vereins Derad oder der Beratungsstelle Extremismus erfolgen. Zudem muss der 16-Jährige regelmäßige Termine wahrnehmen, etwa mit Derad oder Neustart. Moschee-Besuche sind ihm nur in Derad-Begleitung erlaubt.

Am Anfang der Ermittlungen hatte der Jugendliche, der im Vorfeld des Terrors auch an einem internationalen Islamistentreffen in Wien teilgenommen hatte, aufgrund der Aussage eines anderen Teilnehmers sogar als jemand gegolten, „der endgültiger Gegner bleibt“. Auch dann noch, „wenn alle geschlagen sind“.

Eltern: „Religiöser Zugang unauffällig"

Aber wie gesagt: Die Lage hat sich gedreht. Auch die Tatsache, dass sich der junge Mann lediglich per Verteidiger-Schriftsatz zu Wort gemeldet hatte, könne diesem laut OLG nicht nachteilig angerechnet werden. Schließlich habe es sich um einen „16-jährigen Jugendlichen in der Extremsituation einer Untersuchungshaft“ gehandelt – „aufgrund der ursprünglichen höchst gravierenden Anschuldigung der Beteiligung an einem terroristischen Attentat mit dem Vorwurf des mehrfachen Mordes“.

Zu der Enthaftungsentscheidung heißt es im OLG-Beschluss auch: „Die Beratungsstelle Extremismus bestätigt den allseitigen Eindruck, dass die Eltern des Jugendlichen gefestigt wirkende liberale Haltungen vertreten, in ihrem eigenen religiösen Zugang unauffällig sind, die Tendenzen der Radikalisierung ihrer Söhne strikt ablehnen und kooperativ und willens erscheinen, jede Unterstützung anzunehmen, um deratigem Gedankengut des Beschuldigten entgegenzusteuern."

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.