Erbebengebiet

Österreichische Studie zu Atomkraft-Plänen in Ungarn: „Standort Paks ungeeignet“

Reaktor 4 des ungarischen Atomkraftwerks Paks an der Donau - etwa 260 km von Wien bzw. Graz entfernt
Reaktor 4 des ungarischen Atomkraftwerks Paks an der Donau - etwa 260 km von Wien bzw. Graz entfernt(c) REUTERS (Laszlo Balogh)
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Die Pläne Ungarns zu den vier bestehenden Reaktoren des Kraftwerks Paks zwei weitere zu errichten, stoßen wegen des Erdbebenrisikos massiv auf fachliche Kritik.

Scharfe Kritik an der Erweiterung des ungarischen Atomkraftwerks Paks an der Donau: In einer Studie, die das Umweltministerium in Auftrag gegeben und das Umweltbundesamt (UBA) koordiniert hat, kommen zwei Geologen zum Schluss, dass das Atomkraftwerk direkt auf einer Erdbebenzone steht. Kurt Decker (Institut für Geologie an der Universität Wien) und Esther Hintersberger (als sie an der Studie gearbeitet hat, forschte sie noch an der Uni Wien) stellen fest: „Die Möglichkeit des Auftretens einer dauerhaften Oberflächenverschiebung am Standort Paks II kann durch wissenschaftliche Belege nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Der Standort Paks II sollte daher als ungeeignet angesehen werden.“

Die Studie umfasst insgesamt 91 Seiten und wurde am Montag der ungarischen Atomaufsichtsbehörde übermittelt – mit der Bitte um eine Stellungnahme und auch darum, dass ein Workshop organisiert werde, an dem auch Expertinnen aus Nachbarländern teilnehmen können. Grenzüberschreitende Beteiligung ist nur für die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen (aufgrund einer EU-Richtlinie und der Espoo-Konvention). Diese UVP ist bereits über die Bühne gegangen. Kritiker bemängeln allerdings, dass beim UVP-Verfahren die Details zu den Reaktoren gefehlt hätten. Außerdem seien auch die seismischen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen gewesen. Beim Standortverfahren war eine internationale Beteiligung nicht möglich. Die Lizenz wurde 2017 erteilt.

Neue Methode, deutliche Erkenntnis

Dass das ungarische Atomkraftwerk auf einer seismisch aktiven Zone steht, ist nicht neu. Neu ist allerdings das Ausmaß der Gefährdung. Möglich ist dieser Erkenntnisgewinn durch eine neue Methode. Früher waren es vor allem Messungen mit Bodenradar und die Auswertung alter Chroniken und Kirchenbücher, um die tektonische Aktivitäten der Vergangenheit zu eruieren. Nunmehr werden aber „paleoseismische Grabungen“ durchgeführt. Dabei werden Löcher gegraben und in der Folge die Bodenprofile analysiert. Dadurch lassen sich die Verschiebung der Schichten und in weiterer Folge die tektonische Aktivitäten rekonstruieren.

In Paks haben solche Grabungen gezeigt, dass es Brüche gebe, „die das Potential haben, die Erdoberfläche zu versetzen.“ Und: „Diese nachgewiesenen Verwerfungen sind Teil der Dunaszentgyörgy-Harta Verwerfungszone, setzen sich in den Standort von Paks fort, und haben in den letzten ca. 20.000 Jahren die Erdoberfläche wiederholt und signifikant versetzt. Die Brüche sind daher nach der Definition der IAEO als „Capable Faults“ zu klassifizieren.“

Kernkraftwerke in der Nähe von Österreich
Kernkraftwerke in der Nähe von ÖsterreichUBA

Atomaufsicht: Chef überraschend zurückgetreten

Der bisherige Generaldirektor Gyula Fichtinger der ungarischen Atomaufsicht ist am 29. April überraschend zurückgetreten. In der Vorwoche hat die Regierung von Ministerpräsident Orban nun einen Gesetzentwurf veröffentlicht, wonach künftig der Leiter der Atomaufsicht auf neun Jahre bestellt, unkündbar sein und unabhängig von politischen Einflüssen agieren soll. Der Entwurf wird allgemein als Signal gewertet, die Kapazitätserweiterung in Paks durchzuziehen.

Die AES-206-Reaktoren werden von der russischen „Rosatom“ errichtet. Ungarische Medien kritisieren, dass im Umfeld des Projekts im Zusammenhang mit Bauprojekten, unter anderem für die Unterbringung Tausender Russen, häufig Firmen von der Regierungspartei nahestehenden Personen zum Zug gekommen seien.

Die endgültige Entscheidung hat allerdings auch das Standortverfahren nicht gebracht. Denn nach diesem muss noch das Bauverfahren abgewickelt werden. An sich ist vorgesehen, dass dieses Verfahren in zwölf Monaten abgewickelt sein muss – mit der Möglichkeit einer Verlängerung um drei Monate.

Gleicher Reaktor auch in Finnland

Auch in Finnland ist Rosatom über die Tochter Rusatom an einem AKW-Projekt beteiligt – in Hanhikivi soll ein Atomkraftwerk errichtet werden, in dem der baugleiche Reaktor wie in Paks (AES-2006) eingesetzt werden soll. 2015 wurde der Antrag auf Lizenzierung gestellt. Finnische Behörden haben kein zeitliches Limit und bereits einige Male Unterlagen von den russischen Atombauern nachgefordert. Derzeit geht die Betreiberfirma des Projekt, die 2007 gegründet worden ist, von einer OInbetriebnahme im Jahr 2029 aus.

Probleme im Bau-Verfahren wirft auch das „Regierungsdekret Nr. 118 von 2011 über die Anforderungen an die nukleare Sicherheit“, auf. Dessen „Anforderung 7.3.1.1100“ verlangt, dass die Möglichkeit des Auftretens einer dauerhaften Oberflächenverschiebung am Standort Paks II ausgeschlossen werden müsse. In der UBA-Studie kann aber genau das nicht ausgeschlossen werden.

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