Tschechien

Kann dieser Mann tschechischer Premier werden?

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Ivan Bartoš ist Computernerd, Ex-Punk und Philosoph und trägt mit 41 noch immer Dreadlocks. Nun greift er nach dem Amt des Ministerpräsidenten. In Umfragen liegen seine Piraten seit Monaten vorne.

Der Mann kommt aus der Zukunft. Er trägt eine silberne Jacke, silberne Schuhe und silbern eingefärbte Dreadlocks, die ihm bis zur Hüfte reichen. In einem Auto, das an die Zeitmaschine aus dem Achtziger-Science-Fiction-Klassiker „Zurück in die Zukunft“ erinnern soll, rauscht er in einem Prager Park an.
Dort trifft der Ivan Bartoš aus dem Jahr 2050 auf den Ivan Bartoš der Gegenwart, der gerade in einem schwarzen Kapuzenpullover ein paar Sit-ups machen wollte. Er sei gekommen, um ihn zu warnen, sagt das 70-jährige Alter Ego. Sein jüngeres Ich habe die letzte Chance, noch etwas zu ändern: Weg mit der überbordenden Bürokratie, das Gesundheitssystem reformieren, den Klimawandel aufhalten und eine korrupte Elite aus Superreichen hindern, den Staat in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln. Dann steigt der versilberte Ivan Bartoš wieder in sein versilbertes Auto und braust davon.

28 Prozent für Piraten

Diesen Werbespot für die Parlamentswahl kommenden Oktober stellte die Piratenpartei bereits im vergangenen September online. Mitten in der Coronakrise, die Tschechien so hart getroffen hat wie kaum ein anderes EU-Land. Drei Gesundheitsminister kamen und gingen in der Pandemie, vor Kurzem trat auch der Außenminister zurück. Dem stellvertretenden Regierungschef und Sozialdemokraten Jan Hamáček wird vorgeworfen, dem Kreml angeboten zu haben, eine vermutete russische Beteiligung an einer Explosion eines tschechischen Munitionslagers zu vertuschen, wenn Moskau dafür den Impfstoff Sputnik V nach Tschechien liefern würde. Hamáček bestreitet das, doch klar ist: Die Regierung steckt in der Krise. In Umfragen liegt die Partei Ano von Premierminister Andrej Babiš mit 22 Prozent an zweiter Stelle.
Rund 28 Prozent der Tschechen würden für die Piraten stimmen, die sich für die Wahl mit der Kleinpartei „Bürgermeister und Unabhängige“ zusammengetan haben. Ivan Bartoš ist ihr bekanntester Mann und auch Kandidat für den Premierministerposten. Das ist nicht nur bemerkenswert, weil die Zeit der auf digitale Themen fokussierten Piratenparteien in den meisten europäischen Ländern schon abgelaufen schien. Der 41-jährige Bartoš wirkt nicht wie ein Politiker, der es einmal zum Regierungschef bringen wird – was nicht nur an den Dreadlocks liegt. Er wurde in einer tschechischen Kleinstadt geboren, studierte Philosophie, arbeitete als Softwarearchitekt, sang in einer Punkband. In manchen Wahlwerbespots spielt er Akkordeon. In Interviews erläutert er seine Politik schon mal über Analogien aus seiner Lieblings-Sci-Fi-Serie „Star Trek“.

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