Konzerthaus: Britische Noblesse für Haydns Pariser Symphonie

Donnernder Applaus nach 196 Schließtagen.

Zum ominösen Datum des 19. Mai trudelte die Camerata Salzburg sogar mit einem Dirigenten im Konzerthaus ein, was bei diesem feinen Kammerorchester leider nicht immer Usus ist – und welch ein bestimmender, unmissverständlich artikulierender das war: der Brite Andrew Manze, gründlich über historische Aufführungspraxis informiert, bat den Solisten schon in der Exposition von Mozarts c-moll-Klavierkonzert mit klug abgezirkelten Tempi und überlegt aufgerissenem Klang zum Dialog. Doch Andreas Haefliger tat so, als wäre er darauf nicht angewiesen und begnügte sich mit moderater Darstellungskapazität. Technisch grosso modo abgesichert, sieht man von Temporückungen, manierierter Pedalisierung und einer matten linken Hand ab, blieb vieles im Schwarzweiß stecken, die Bedeutung von Mozarts erschütterndem c-Moll, in dem es um die letzten Dinge des Lebens geht, um das Loslassen und Abschiednehmen.

Über die klein dimensionierte Besetzung (sechs erste Geigen) ließe sich trefflich räsonieren: Bei Mozart erinnert sie eher an eine Diätkur in Bio-Qualität, bei Haydns „Pariser Symphonien“ straft sie sich selbst Lügen: Die wurden bei der Uraufführung mit bis zu 65 Musikern gegeben, die Camerata kommt in den Dimensionen des Großen Konzerthaus-Saales mit der Hälfte aus.

Dennoch ereignete bei der C-Dur-Symphonie (mit dem dümmlichen Etikett „Der Bär“) Großartiges: Haydn spontan, explosiv, illustrativ und aufregend erzählend – und das konzentriert und hochvirtuos gespielt. Manze animierte zu Attacken, dramatischen Dialogen, atmosphärischen Momenten. Haydn-Spezialist Adam Fischer verlangt dafür den „pannonischen Dialekt“, Manze veredelt ihn noch mit britischer Contenance. Die Camerata quittierte das eloquent. Was für ein optimistischer Neuanfang. Donnernder Applaus nach 196 Schließtagen.

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