Nahost

Israel erwägt laut Medien einseitige Waffenruhe im Gaza-Konflikt

Bei dem seit 10. Mai andauernden gegenseitigen Beschuss starben im Gazastreifen nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bisher 219 Menschen, rund 1530 wurden verletzt.
Bei dem seit 10. Mai andauernden gegenseitigen Beschuss starben im Gazastreifen nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bisher 219 Menschen, rund 1530 wurden verletzt.APA/AFP/MAHMUD HAMS
  • Drucken

UNO-Generalsekretär António Guterres hatte zuvor eine sofortige Waffenruhe: „Die Kämpfe müssen sofort aufhören.

Das israelische Sicherheitskabinett will einem Medienbericht zufolge noch am Donnerstag über einen Vorschlag abstimmen, der einen einseitigen Waffenstillstand im Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen vorsehe. Die Feuerpause solle dann innerhalb von 24 Stunden in Kraft treten, meldete der israelische Fernsehsender Kan weiter. Auch laut ägyptischen Sicherheitskreisen steht eine Waffenruhe unmittelbar bevor. Bestätigungen gab es dafür aber vorerst keine.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu werde seinem Kabinett noch am Donnerstag den Plan für eine Waffenruhe vorlegen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus ägyptischen Sicherheitskreisen. "Ägypten garantiert ein Ende der Raketenangriffe aus Gaza nach Israels Ankündigung, das Feuer von seiner Seite aus einzustellen", hieß es dazu in Kairo.

Ägypten vermittelt im aktuellen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern und hatte etwa auch im Gaza-Krieg 2014 mit auf eine Waffenruhe hingewirkt. In den vergangenen Tagen hatte Israel das Angebot zur Vermittlung durch den einst verfeindeten Nachbarstaat allerdings noch abgelehnt.

Guterres fordert sofortige Waffenruhe

UNO-Generalsekretär António Guterres hatte zuvor erneut eine sofortige Waffenruhe im eskalierten Gaza-Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern gefordert. "Die Kämpfe müssen sofort aufhören", sagte Guterres am Donnerstag bei einer Sitzung der UNO-Vollversammlung in New York. Die Berichte über den Tod vieler Zivilisten hätten ihn schwer geschockt, sagte Guterres. "Wenn es eine Hölle auf Erden gibt, ist es das Leben der Kinder in Gaza."

Zuvor hatte sich Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel im Nahost-Konflikt klar an die Seite Israels gestellt. Es gebe das Selbstverteidigungsrecht Israels, "dazu stehen wir", sagte Merkel am Donnerstag im WDR-Europaforum. "Deshalb ist es richtig, dass sich Israel zur Wehr setzt - und sich massiv zur Wehr setzt", fügte sie hinzu. Zuvor hatte bereits Deutschlands Außenminister Heiko Maas bei einem Besuch in Israel die Solidarität seines Landes mit der israelischen Regierung bekundet.

Tunnel-System bombardiert

Nach einer kurzen Ruhepause wurde in israelischen Orten an der Grenze zum Gazastreifen am Donnerstag wieder Raketenalarm ausgelöst. Zuvor hatte Israels Luftwaffe in der Nacht erneut Teile des weitläufigen Tunnel-Systems der im Gazastreifen herrschenden Hamas bombardiert. Binnen 24 Stunden wurden Dutzende Ziele der sogenannten Metro angegriffen. Die Armee veröffentlichte zudem ein Video zu der weitverzweigten unterirdischen Anlage der Hamas. Nach Angaben der Streitkräfte hatten die Islamisten das Tunnelsystem über Jahre aufgebaut. Es habe eine Länge von Hunderten Kilometern und werde unter anderem dafür benutzt, um innerhalb des Gazastreifens Kämpfer, Munition und Lebensmittel zu bewegen, teils auch mit Fahrzeugen.

Beschossen wurden demnach Knotenpunkte und andere strategisch wichtige Orte des Netzes. Die "Metro" liegt zu großen Teilen unter der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens. Zudem seien im Küstengebiet weitere Ziele beschossen worden: das Haus eines Kommandanten in Khan Yunis, eine Hamas-Waffenfabrik sowie mehrere Raketenabschussrampen.

4070 Raketen, 219 Tote

Militante Palästinenser haben in den vergangenen eineinhalb Wochen aus dem Gazastreifen nach Angaben der israelischen Armee rund 4070 Raketen in Richtung Israel abgefeuert. Davon seien etwa 610 noch in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer niedergegangen, bevor sie israelisches Gebiet erreichten, teilte das Militär am Donnerstag mit. Das israelische Abwehrsystem Eisenkuppel ("Iron Dome") hat demnach eine Abfangquote von etwa 90 Prozent.

Bei dem seit 10. Mai andauernden gegenseitigen Beschuss starben im Gazastreifen nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bisher 219 Menschen, rund 1530 wurden verletzt. In Israel gab es nach offiziellen Angaben zwölf Tote und Hunderte Verletzte. Der UNO-Sicherheitsrat hatte sich zuletzt am Dienstag in einer nicht-öffentlichen Sitzung über den Konflikt beraten. Die Generalversammlung will sich am Donnerstag erneut mit dem Thema befassen.

UN-Menschenrechtsrat befasst sich mit Konflikt

In der kommenden Woche befasst sich der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in einer Sondersitzung mit der Situation in den Palästinensergebieten. Pakistanische und palästinensische Vertreter beantragten die Tagung in Genf, berichtete ein UNO-Sprecher. Die Sitzung soll am Donnerstag stattfinden.

In dem pakistanisch-palästinensischen Antrag ist keine Rede von der Situation in Israel. In der Vergangenheit hatten vor allem die USA kritisiert, dass im Menschenrechtsrat eine Israel-feindliche Stimmung herrsche. UNO-Menschenrechtsexperten wiesen diese Woche darauf hin, dass es im derzeitigen Konflikt starke Anzeichen für israelische und palästinensische Kriegsverbrechen gebe, da Zivilisten auf beiden Seiten unter Beschuss sind.

(APA/Reuters/dpa/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

In einem von Hamas-Rakete zerstörten Haus. Deutschlands Außenminister Maas (r.) bei Israels Außenminister Ashkenazi (M)
Nahost

Gaza-Krieg: Die letzten Meter zur Waffenruhe

Deutschlands Außenminister Maas besuchte Israel und Palästinenserpräsident Abbas. Die Regierung Netanjahu beriet über ein Ende der Kämpfe.
Nach einem israelischen Luftangriff in der Stadt Khan Younis im südlichen Gazastreifen.
Gaza-Krieg

Nahost: Gerüchte über eine baldige Waffenruhe machen die Runde

Israel will die militärischen Fähigkeiten der Hamas weiter schwächen. Zugleich denken beide Seiten über Ausstiegsszenarien nach.
Naftali Bennett
Israel

Der Gaza-Krieg spielt Netanjahu innenpolitisch in die Hände

Die Koalitionsverhandlungen sind unterbrochen. Israel steuert auf fünfte Parlamentswahl in zweieinhalb Jahren zu. Das nützt dem Premier.
Feuerball in Gaza
US-Nahost-Politik

Die Telefondiplomatie des Antony Blinken

In Gesprächen mit seinen Nahost-Kollegen versucht der US-Außenminister aus der Ferne Lösungsmöglichkeiten zu sondieren. Ein rascher Erfolg scheint derzeit nicht in Sicht.
Chinas Außenminister Wang Yi
Analyse

China will Vermittlerrolle im Nahen Osten übernehmen

Peking möchte Friedensgespräche zwischen Israel und Palästina ausrichten – und sich so auf der diplomatischen Bühne profilieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.