Ansprache

Van der Bellen mahnt Kurz und Opposition

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APA/GOTTSCHLING
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Die Institutionen der Republik müssen ernst genommen werden, sagt der Bundespräsident.

Wien. Angesichts der möglichen Anklage gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich am Freitag Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Wort gemeldet. In seiner Ansprache fand der Präsident mahnende Worte für den Kanzler und die Regierung, aber auch für die Opposition. Keine klare Aussage gab es dagegen zur aktuellen Streitfrage, ob der Bundeskanzler im Fall einer Anklageerhebung bzw. im Fall einer Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuss im Amt bleiben kann.

U-Ausschuss ernst nehmen

„Die Arbeit der Institutionen unseres Rechtsstaates muss ungestört und in Ruhe verrichtet werden können. Wir müssen diese Institutionen ernst nehmen“, sagte Van der Bellen. Die Institutionen seien „sozusagen das Immunsystem unseres Staates und wir dürfen nicht dulden, dass dieses geschwächt wird“. Parlament, Regierung, Justiz und auch unabhängige Medien würden zu diesen Institutionen zählen.

Beim Parlament führt Van der Bellen ausdrücklich die Untersuchungsausschüsse an. „Zu versuchen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss lächerlich zu machen, ist entbehrlich.“ Das sei bloße Polemik und trage nichts zur Klärung eines Sachverhalts bei, so der Präsident in Richtung ÖVP, die in den vergangenen Tagen den Untersuchungsausschuss aufs Korn genommen hat. Er lässt aber auch Kritik an der Opposition durchklingen: „Auch jene, die im Untersuchungsausschuss ihr Fragerecht wahrnehmen, müssen ihre Funktion im Umgang mit dem Gegenüber und auch im Tonfall respektvoll wahrnehmen.“

Eine klare Rüge gibt es für Finanzminister Gernot Blümel, der einen Spruch des Verfassungsgerichtshofs erst umgesetzt hat, als dieser den Bundespräsidenten mit der Exekution beauftragt hat. „Einen Auftrag des Verfassungsgerichtshofes erst zu befolgen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, ist entbehrlich. Jeder Versuch, die Arbeit des Untersuchungsausschusses künstlich zu erschweren, ist entbehrlich. Denn es würde zeigen, dass man diese Institutionen nicht ernst nimmt.“

Unschuldsvermutung gilt

Eher unkonkret bleibt Van der Bellen bei der Frage, ob Bundeskanzler Sebastian Kurz im Fall einer Anklage oder Verurteilung zurücktraten müsste. Alle müssten sich an die Gesetze halten, auch die Politiker. Gleichzeitig gelte aber auch für die Politiker die Unschuldsvermutung. Also kein Rücktritt bei Anklage? Van der Bellen bringt noch das Thema „politischer Anstand“ aufs Tablett. „Anstand ist eine Kombination aus moralischer Überzeugung und ordentlichen Umgangsformen, der wir freiwillig nachkommen sollten.“

Was das genau heißt, lässt der Bundespräsident wohl bewusst offen. Und die Folgen einer möglichen Verurteilung behandelt er gleich gar nicht. Und das aus guten Gründen: In dem Fall läge es nämlich am Bundespräsidenten, zu entscheiden, ob er die Regierung im Amt belässt.


[RHO4W]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2021)


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