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Der neue Luxus für Kinder und Eltern: Eine Tür, die schließt

Handgearbeitet: klappbarer Treppen-Stuhl mit Sicherheitsbügel.
Handgearbeitet: klappbarer Treppen-Stuhl mit Sicherheitsbügel.Ettomio
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Home-Schooling und -Office sorgen für neue Bedürfnisse in den Kinderzimmern.

Die Definition dessen, was Luxus für Familien ist, hat – wie so vieles andere auch – im vergangenen Jahr einen deutlichen Perspektivenwechsel erlebt. Galten zuvor eigene Kinderbäder und eine Einliegerwohnung für die Nanny als Statussymbol, avancierte spätestens ab dem Herbst allein die Tatsache, dass der Nachwuchs einen Schreibtisch im eigenen Zimmer und eine verschließbare Türe zwischen diesem und dem improvisierten Heim-Arbeitsplatz der Eltern hatte, zu wahrem Luxus.

Weg vom Küchentisch

„Ich war immer schon Verfechterin eines Schreibtisches im Kinderzimmer, weil es die Selbstständigkeit fördert und das Kind an einen eigenen Platz zum Arbeiten und Konzentrieren gewöhnt. Vor Corona haben aber viele Eltern gesagt, ihr Kind brauche keinen, da es eh am Küchen- oder Wohnzimmertisch seine Hausaufgaben mache“, erinnert sich Alexandra Schnögass-Mück, Inhaberin des Kinderzimmerausstatters Die Raumelfen, an vergangene Zeiten. Diese Einstellung hat sich mit ersten Lockdown deutlich verändert: „Seitdem haben wir eine ganze Reihe neuer Arbeitsbereiche kreiert“, schmunzelt die Interior-Designerin.

Der Wunsch, dass Kinder möglichst ihr eigenes Zimmer bekommen, habe seit dem Beginn des Home-Schoolings naturgemäß massiv zugenommen. „Wenn beim Online-Unterricht mit Videokonferenzen auch nur zwei Kinder durcheinander reden, ist das für viele Eltern ein guter Anlass, endlich einen Arbeitsplatz im Kinderzimmer einzurichten“, sagt die Expertin. Dabei spielt natürlich einerseits das kindgerechte Design eine große Rolle – schließlich soll das Prinzessinnen-Zimmer nicht so aussehen, als ginge ihre Majestät morgens ins Büro. Aber auch die Funktionalität darf nicht zu kurz kommen, zumal das eine das andere oft bedingt. Denn vieles, was es an den Kinderarbeitsplätzen braucht, sieht deutlich besser aus, wenn es geschickt versteckt wird. „Bei all dem Kabelwerk, das es braucht, um alles vom Handy bis zum iPad, dem Laptop und vielleicht noch der Playstation zu laden, hat es eine große Wertigkeit, wenn diese schön verstaut werden“, betont Schnögass-Mück. Das gelte umso mehr, als jetzt auch Geräte wie Drucker und Scanner immer häufiger Einzug in die Kinder- oder zumindest Jugendzimmer halten. Außerdem spiele die Tischplatte eine große Rolle, betont sie, 1,20 Meter sei das Minimum. Sinnvoller sei es, von Anfang an einen zweiten Schreibtischsessel und eine größere Tischplatte zu planen, an der ein Elternteil, ein Nachhilfelehrer oder ein Freund Platz haben.

katsey

Zonen im Zimmer schaffen

Ist genügend Platz vorhanden – was im Premiumsegment ohnehin oft der Fall ist –, sollte der Arbeitsbereich nur einen Teil des Kinderzimmers beanspruchen. „Meist kann man den Raum schön gliedern, vor allem dann, wenn man nicht alles an die Wand klebt und dann 30 Quadratmeter Platz in der Mitte übrig bleiben“, bringt es Schnögass-Mück auf den Punkt. Im Idealfall sollten Kinderzimmer einen Spiel-, einen Arbeits- und einen Schlafbereich haben, die sich durch Teppiche, Farbgestaltungen und Lichtlösungen gut voneinander abgrenzen lassen.

Aber auch durch Spielereien und das entsprechende Mobiliar lassen sich Bereiche gut abgrenzen, erklärt Designerin Patricia Tschen. „Toll ist es beispielsweise, wenn man in einem Bereich eine Kletterwand, das TV-Gerät und eine Hängematte hat; und dann für die Bereiche Schlafen und Konzentration mit Farben und Akzenten arbeitet, in deren Gestaltung die Kinder mit einbezogen werden.“ Was man durchaus so handhaben könne, dass der Nachwuchs sich über knallrote Feuerwehrautos, Pink und Glitzer freut, ohne dass es den Erwachsenen das Auge ausschlägt. „Das lässt sich leicht mit Akzenten lösen, die man nach drei Jahren auswechseln kann, während man für die Schrankfronten neutrale Töne wählt“, erklärt sie.

Welche Trends in Sachen Farben und Formen heuer aktuell sind, sei angesichts der jetzt teils schon zum zweiten Mal ausgefallenen Messen auch für die Designer nicht ganz leicht zu beantworten, räumt Tschen ein. „Grundsätzlich geht es bei den Kinderzimmern wie bei den allgemeinen Wohnbereichen in Richtung Skandinavien, mit klaren Linien bei den Möbeln und runden Formen, etwa bei Betthäuptern oder Poufs. „Was gut passt, weil sich Kinder mit runden Formen oft wohler fühlen“, erklärt die Expertin. Manche Hersteller wie etwa Nidi setzen das sogar bei der Gestaltung von Gesamtlösungen um, „die durchdacht sind und klare Formen haben, aber gleichzeitig den Spaßfaktor berücksichtigen, etwa mit lustigen Griffen“, erklärt sie. In Sachen Stauraum gebe es ebenfalls intelligente Lösungen, etwa Betten mit Stauraum, die in eine Zimmerlandschaft integriert werden und eine gewisse Unordnung aufnehmen. „Da machen sich die Hersteller wirklich Gedanken“, lobt Tschen.

Der Home-Schooling-Arbeitsplatz im eigenen Zimmer hat sich in den letzten Monaten zum Must-have entwickelt, verspielt durfte es aber doch bleiben.
Der Home-Schooling-Arbeitsplatz im eigenen Zimmer hat sich in den letzten Monaten zum Must-have entwickelt, verspielt durfte es aber doch bleiben.Getty Images/iStockphoto

Möbel zum Lernen

Eine dieser Hersteller ist das italienische Unternehmen Ettomio, das seit Kurzem auch auf dem österreichischen Markt vertreten ist. Ettomio hat sich auf handgearbeitete Kindermöbel spezialisiert, die nach ganzheitlichen pädagogischen Ansätzen – unter anderem dem Montessori-Konzept – konzipiert und gebaut werden. So ist etwa das Bettchen unter seinem Sternenbaldachin zunächst so niedrig, dass kleine Kinder die Möglichkeit haben, selbstständig ins Bett zu gehen, wenn sie müde sind. Später wächst es mit. Das Flaggschiff des Unternehmens ist der sogenannte Learning Tower, den Geschäftsführerin Paola Bernardotto gemeinsam mit einigen Tischlern entwickelt hat und so erfolgreich ist, dass sie jetzt mit der Produktion kaum mehr nachkommt. „Die Idee ist entstanden, als mein ältester Sohn ein Jahr alt war und ich nach einer Möglichkeit gesucht habe, ihn sicher in die Küchenaktivitäten einzubinden“, erinnert sich die Unternehmerin im Gespräch mit der „Presse“. Herausgekommen ist ein klappbarer Treppen-Stuhl mit Sicherheitsbügel, auf dem die Kids auf Höhe der Arbeitsfläche Seite an Seite mit den Eltern Pastateig kneten, Kuchen verzieren oder Chaos anrichten können. Gerade während Corona überschlug sich die Nachfrage. Da die Lern-Türme aber handgefertigt werden, ließen sich bisher nicht mehr als 1000 pro Jahr herstellen. Und das soll vorerst auch so bleiben. (SMA)

AUF EINEN BLICK

Seit der Nachwuchs daheim lernt, haben sich die Anforderungen an die Kinderzimmer verändert. Gefragt sind neben einem großen Schreibtisch smarte Lösungen, die Kabel, Drucker und andere Geräte verstecken. Dazu – zumindest optisch – abgetrennte Zonen zum Spielen/Chillen, Schlafen und Arbeiten. Fast noch wichtiger sind aber, wenn alle gemeinsam zu Hause arbeiten, ein leistungsstarkes WLAN und eine Tür, die sich schließen lässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2021)

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