Zwei Personen suchen eine Autorin

„Nil“ von Anna Baar – ein erlesener Roman über das Schreiben. Vielleicht zu erlesen.

Man muss solche Sätze mögen. Oder sie wenigstens für ansprechend halten, denn man begegnet ihnen ständig in Anna Baars neuem Roman. „Im Schweigen ist weniger Stummsein als in gängigen Worten.“ Oder: „Das Künftige ist gesät aus der Vergangenheit.“ Oder um eine etwas längere, nicht ganz so mit der eigenen Bedeutung prunkende Passage zu zitieren: „Als Kind stand ich abends am Fenster, erpicht, einen Dieb zu ertappen, nein, nicht ihn zu ertappen, sondern auf frischer Tat zu erspähen, jenen letztlichen Retter, der es zuwege brächte, den immer grimmigen Alten von dem Fluch des Geldes zu befreien.“ Das ist gedrechselt, poliert, auf antik eingefärbt wie der ganze Text, mit erlesenen Formulierungen verziert und mit grammatikalischen Preziosen – wie etwa der ausufernden Verwendung des Konjunktiv 1.

Erzählt wird in diesem hohen Ton die Geschichte einer Autorin, die einen Fortsetzungsroman für eine Frauenzeitschrift verfasst, doch ihre Geschichten verstören das Publikum, weshalb ihr beschieden wird, sie möge den Roman in der nächsten Folge zu Ende zu bringen, irgendwie. Soll das Paar doch einfach über die Klippe springen, meint der Chefredakteur. Man denkt unweigerlich an Mario Vargas Llosas Hörspielautor in „Tante Julia und der Kunstschreiber“, der seine Storys durcheinanderbringt, die Figuren des einen Hörspiels tauchen in einem anderen auf und umgekehrt, die Zuhörer protestieren. Woraufhin der Autor beschließt, der Übersichtlichkeit halber ein paar von ihnen sterben zu lassen.

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