Anschlagsserie vereitelt: Europa in Terrorangst

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Europa Terrorangst(c) REUTERS (ANDREW WINNING)
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Terroristen planten zeitgleiche Kommandoattacken in großen Städten Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens. Die Attentate wurden gerade noch vereitelt. Kontakte der Hintermänner zur al-Qaida werden vermutet.

Es sollte eine verheerende Anschlagsserie werden. In Pakistan ausgebildete Terroristen planten zeitgleiche Kommandoattacken in großen Städten Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens. Geheimdienste verhinderten die Attentate gerade noch. Das berichten britische und amerikanischen Medien.

Die Planung erinnert an die Anschläge in Mumbai im Jahr 2008. Auch damals hatten sich die Attentäter nicht in die Luft gesprengt, sondern bewaffnete Angriffe auf zwei Luxushotels der indischen Metropole durchgeführt und ein Blutbad angerichtet. Sie töteten 166 Menschen, mehr als 300 wurden verletzt.

Britische Geheimdienste vermuten, dass die Hintermänner der geplanten Angriffe Kontakte zu al-Qaida hatten. Auch das deutsche Innenministerium bestätigte am Mittwoch Vormittag, dass das Terrornetzwerk „längerfristig“ Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland plant. Dies werde mit der „gebotenen Sensibilität und Intensität – auch im Austausch mit den internationalen Partnern – analysiert und bewertet“. Gleichzeitig betonte der Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), es gebe keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in der Bundesrepublik. Deshalb führten die Hinweise auch nicht zu einer Veränderung der Gefährdungsbewertung für Deutschland.

Drohnenangriffe auf Attentäter?

Die Informationen über die geplanten Terroranschläge stammen aus der Befragung eines deutschen Terror-Verdächtigen, der im Spätsommer auf dem Weg nach Europa abgefangen wurde und derzeit auf der US-Basis Bagram in Afghanistan festgehalten wird. Der Mann sagte aus, dass terroristische Gruppen aus Deutschen, Arabern und Tschetschenen mit europäischen Pässen in Pakistan ausgebildet und von dort ausgesandt worden seien.

Nach Informationen des „Wall Street Journal“ hat der US-Geheimdienst die Terrorpläne unter anderem mit Drohnenangriffen auf Ziele in der pakistanischen Unruheregion Waziristan zunichte gemacht. Im letzten Monat hat es so viele Drohnenangriffe auf pakistanische Ziele gegeben wie seit sechs Jahren nicht mehr.

Die Meldungen über die Anschlagspläne fallen in eine Zeit zunehmender Terrorangst in Europa und den USA. Erst vor einer Woche hatte die US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano vor einer größer werdenden Bedrohung gewarnt. „Wir beobachten eine steigende Aktivität von immer verschiedeneren Arten von Gruppierungen und Bedrohungen“, sagte die Ministerin bei einer Anhörung vor dem Senat.

Keine akute Gefahr in Österreich

In Frankreich herrscht schon seit Wochen Alarmstufe rot. Am Dienstag musste die Pariser Polizei den Eiffelturm zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen wegen einer Bombendrohung räumen. Zusammenhänge mit den neuesten Drohungen waren zunächst nicht bekannt. Der französische Innenminister Brice Hortefeux ließ verlautbaren, die Überwachungsmaßnahmen seien verstärkt. „Die Bedrohung ist real.“

Im österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sieht man die Sache gelassen. Hierzulande bestehe „unverändert keine akute Terrorgefahr“, es bestünden „keine Hinweise auf Anschläge“, wie Harald Noschiel, Sprecher des Innenministeriums, gegenüber der „Presse“ versicherte. Die Verantwortlichen in den betroffenen Ländern müssten die Menschen jedoch sensibilisieren und warnen. Was hinter den Medienberichten zu den vereitelten Anschlägen steckt, konnte Noschiel nicht beurteilen.

Der letzte große Terroranschlag in Westeuropa liegt fünf Jahre zurück: Im Juli 2005 versetzten Bombenattentate auf die Londoner U-Bahn die Welt in Angst und Schrecken. Und die Gefahr ist nicht gebannt: Sie „war hoch, ist hoch und wird hoch bleiben. Wir sind im Visier“, sagt ein deutscher Terrorismusexperte, der nicht namentlich genannt werden will.

AUF EINEN BLICK

Die verheerendsten Terroranschläge der vergangenen Jahre in Westeuropa waren jene auf Madrider Vorortezüge im März 2004, als 192 Menschen getötet wurden. Im Juli 2005 kamen bei Bombenanschlägen auf die Londoner U-Bahn 52 Menschen ums Leben. In Deutschland konnten im Jahr 2007 Terroristen der „Sauerland-Gruppe“ verhaftet werden, die im Auftrag der Islamischen Jihad Union Autobomben-Anschläge geplant hatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2010)

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