Im Zusammenhang mit der angeordneten Herausgabe von Filmbändern bringt der ORF Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof ein. Ex-VfGH-Präsident Korinek: "Auch der ORF muss sich an die Gesetze halten.“
Die Justiz ist beleidigt, so könnte man die Reaktionen auf das Verhalten des ORF im Zusammenhang mit der gerichtlich angeordneten Herausgabe von ORF-Filmbändern zusammenfassen. Am Mittwoch sagte Ex-VfGH-Präsident Karl Korinek in einem Interview mit der Austria Presse Agentur, er sei „sehr enttäuscht von der Reaktion des ORF. Im Rechtsstaat steht niemand außerhalb des Gesetzes. Auch der ORF muss sich an die Gesetze halten.“
Der angesprochene ORF sieht sich durch die Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts (OLG Wien) in seiner Rundfunkfreiheit verletzt. ORF-General Alexander Wrabetz erklärte am Mittwoch in einem der APA vorliegenden Mail den Mitgliedern von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat das weitere Vorgehen. Im Stiftungsrat war bereits Kritik am Moratorium des ORF laut geworden. ORF-Anwalt Gottfried Korn sagte der „Presse“ am Mittwoch, man werde nächste Woche eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10 EMRK) einbringen. Zudem werde eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes eingebracht, die die Entscheidung des OLG Wien vielleicht kippen könnte.
Jarolim macht Druck
Eines haben die aktuellen Ereignisse rund um die Herausgabe der ORF-Bänder jedenfalls schon jetzt gebracht: eine politische Debatte rund um das Thema Pressefreiheit und Medienrecht. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim wünscht sich bis Weihnachten eine „Klärung“ über eine entsprechende „Weiterentwicklung“ des Medienrechts.
Und auch der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) bringt sich mit konkreten Vorschlägen ein. Am Dienstag hat der VÖZ-Vorstand ein Forderungspaket zur Absicherung der Pressefreiheit in vier Punkten beschlossen. Das Redaktionsgeheimnis soll demnach verfassungsgesetzlich und als Bestandteil des Grundrechts auf Pressefreiheit verankert werden. Zudem soll das Recht der Medien auf Zugang zu amtlichen Unterlagen explizit gesetzlich festgeschrieben werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. September 2010)