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Paukenschlag: Vonovia und Deutsche Wohnen vereinbaren Fusion

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Nummer eins in Deutschland will Nummer zwei für rund 18 Milliarden Euro schlucken. Sollten Kartellbehörden zustimmen, entstünde Europas größter Konzern für Wohnimmobilien.

In Deutschland haben sich die beiden Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia auf einen Zusammenschluss geeinigt. Wie beide Unternehmen am Montagabend mitteilten, soll es ein öffentliches Übernahmeangebot der Vonovia an die Aktionäre der Deutsche Wohnen geben. Sollten die Kartellbehörden zustimmen, entstünde durch den Zusammenschluss Europas größter Konzern für Wohnimmobilien.

Kartellrechtliche Bedenken haben die beiden Fusionspartner aber wohl nicht zu befürchten, da der weitaus größte Teil der Mietwohnungen in Deutschland dem Staat, Kommunen oder privaten Vermietern gehört. Deutschlands größter Wohnungsvermieter Vonovia hatte sich angesichts spärlicher und teurer Übernahmemöglichkeiten in Deutschland zuletzt außerhalb der Landesgrenzen umgetan und war in den skandinavischen Markt eingestiegen. Der Konzern wird an der Börse mit 30 Milliarden Euro bewertet.

Vonovia, zu dem der österreichische Wohnimmobilienkonzern Buwog gehört, will nun die Deutsche Wohnen, die Nummer zwei auf dem Markt, für rund 18 Milliarden Euro schlucken. Vonovia biete 52 Euro für jede Deutsche-Wohnen-Aktie, einschließlich der Dividende für das Jahr 2020 winken den Anteilseignern des vor allem in Berlin vertretenen Unternehmens damit 53,03 Euro. Zusammen kommen die beiden einzigen Immobilienkonzerne im Leitindex Dax auf rund 550.000 Wohnungen im Wert von mehr als 80 Milliarden Euro und einen Börsenwert von 48 Milliarden Euro.

„Der richtige Moment"

Vor fünf Jahren war Vonovia mit einem 14 Milliarden Euro schweren Übernahmeangebot für die Deutsche Wohnen am Unwillen der Aktionäre gescheitert, die nicht in ausreichender Zahl ihre Papiere verkaufen wollten. Damals hatte auch Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn gegen die Fusion gekämpft.

Beim neuen Anlauf hat Vonovia-Chef Rolf Buch ihn ins Boot geholt. Zahn soll sein Stellvertreter im Vorstand des fusionierten Konzerns werden. "Jetzt ist der richtige Moment, die erwiesene Leistungsfähigkeit und Stärken beider Unternehmen zu vereinen. Gemeinsam schaffen wir neue Perspektiven für unsere Mitarbeiter, unsere Mieter und unsere Eigentümer", sagte Zahn. Deutsche-Wohnen-Finanzvorstand Philip Grosse übernimmt den gleichen Posten bei Vonovia.

Den Berliner Senat um den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), der in den vergangenen Jahren gegen steigende Mieten und Privatisierungen gekämpft hatte, versucht Buch mit Zugeständnissen auf seine Seite zu ziehen. "Im Zuge des Zusammenschlusses bieten beide Unternehmen für die angespannte Mietsituation in der Bundeshauptstadt dem Berliner Senat einen 'Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen' an", erklärte er. In den nächsten drei Jahren sollen die Mieten in Berlin maximal um ein Prozent pro Jahr steigen, in den nächsten beiden Jahren nicht stärker als die Inflationsrate. Zudem sollen die Kosten für die Sanierung des Wohnungsbestandes zum Energiesparen nicht voll auf die Mieter umgelegt werden.

18 Prozent Prämie

Vonovia und Deutsche Wohnen bieten dem Stadtstaat zudem an, "eine signifikante Anzahl an Wohnungen" aus ihren Beständen zu kaufen. Von den gut 150.000 Wohnungen von Deutsche Wohnen liegen 113.000 in Großraum Berlin, bei Vonovia sind es 43.000 von mehr als 400.000. Der Mietendeckel der rot-rot-grünen Koalition in der Stadt war kürzlich vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden. Die Vermieter waren gegen die Obergrenze für die Mieten Sturm gelaufen. Sie warnten davor, dass sich Renovierungen dann nicht mehr lohnten - etwa für altersgerechtes Wohnungen oder Maßnahmen zu einem geringeren Energieverbrauch.

Dem Land Berlin will der fusionierte Konzern 20.000 seiner rund 150.000 Einheiten in der deutschen Bundeshauptstadt für einen Milliardenbetrag zum Kauf anbieten, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bestätigte. Mieterhöhungen sollen in den nächsten fünf Jahren gedeckelt werden.

Vonovia bietet den Deutsche-Wohnen-Aktionären 18 Prozent mehr als den Schlusskurs von 44,99 Euro vom Freitag. Mehr als 50 Prozent müssen zustimmen, damit die Transaktion zustande kommt. Das soll bis Ende August feststehen. Der Bochumer Konzern hat sich insgesamt 22 Milliarden Euro gesichert, um die Übernahme zu finanzieren. Acht Milliarden davon will Vonovia noch in diesem Jahr durch eine Kapitalerhöhung ablösen. Von dem Zusammenschluss erhofft sich Vonovia bis 2024 Einsparungen von 105 Millionen Euro, vor allem bei der Bewirtschaftung der Wohnungen. Während Vonovia auf eigene Mitarbeiter setzt, die die Häuser warten und Handwerkerleistungen erbringen, beauftragt die kleinere Deutsche Wohnen bisher Fremdfirmen damit.

Kapitalerhöhung geplant

Die Deutsche-Wohnen-Aktie stieg am Dienstag um 15,6 Prozent auf 52 Euro - genau den Preis, den Vonovia bieten will. Vorher sollen die Deutsche-Wohnen-Aktionäre noch die Dividende von 1,03 Euro für 2020 bekommen. Die Vonovia-Aktie gab 4,2 Prozent nach. Das Übernahmeangebot soll von Mitte Juni bis Mitte Juli laufen, im August soll die Transaktion unter Dach und Fach sein. Vonovia plant eine 8 Milliarden  Euro schwere Kapitalerhöhung, um die Übernahme teilweise zu refinanzieren.

Vonovia hofft indes mit der milliardenschweren Übernahme des Konkurrenten auf einen "Neuanfang" in der Diskussion um hohe Mieten und Wohnungsmangel. "Wir werden unsere Größe nutzen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden", sagte Vonovia-Chef Buch am Dienstag. Mit vereinten Kräften wollen die beiden größten privaten Wohnungskonzerne Deutschlands mehr Geld für Sanierungsmaßnahmen und Neubauten lockermachen.

Kartellrechtliche Bedenken hätte die beiden Fusionspartner wohl nicht zu befürchten, da der größte Teil der Mietwohnungen in Deutschland dem Staat, Kommunen oder privaten Vermietern gehört. Selbst in Berlin seien mehr als doppelt so viele Wohnungen in kommunaler Hand wie Vonovia und Deutsche Wohnen zusammen gehörten.

Kritische Stimmen

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht hingegen den geplanten Zusammenschluss sehr kritisch. "Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands ist problematisch, da es dadurch weniger Wettbewerb geben dürfte und die Marktmacht des neuen Konzerns noch stärker wird", sagte der Chef des in Berlin ansässigen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Dienstag zu Reuters. Bereits jetzt hätten beide Konzerne in vielen Regionen einen erheblichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt, sowohl auf Mietpreise als auch auf Kaufpreise. "Ich vermute, dass das Kartellamt dies ähnlich kritisch sehen wird und daher die Chancen für eine Fusion nicht sehr hoch sind", sagte Fratzscher.

Das deutsche Bundeskartellamt wird sich die Fusionspläne nach den Worten von ZEW-Präsident Achim Wambach wie schon beim ersten Versuch des Zusammenschlusses 2015 genau anschauen. Damals sei eine mögliche Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia in der ersten Phase der Untersuchung freigegeben worden, da beide nur einen relativ geringen Anteil am gesamten Wohnungsbestand in den jeweiligen Märkten hatten, sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

(APA/AFP/Reuters)

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