Umweltschutz

EU bleibt bei Klimaschutz zwischen Ost und West gespalten

Morgennebel
MorgennebelAPA/dpa/Federico Gambarini
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Die Staats- und Regierungschefs scheiterten beim Versuch einer Annäherung zur Umsetzung des neuen Klimaziels.

Wie so oft in der Europäischen Union wurden die heiklen Fragen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Erst Ende vergangenen Jahres hatten sich die Staats- und Regierungschefs nach langen Verhandlungen auf eine Reduzierung der Treibhausgase um 55 Prozent bis 2050 gegenüber dem Jahr 1990 – statt der bisherigen minus 40 Prozent – verständigt. Im April erfolgte die Einigung der EU-Regierungen mit dem Europäischen Parlament über das neue, ehrgeizigere Ziel. Doch die Umsetzung blieb offen. Insbesondere die heikle Frage der Lastenverteilung zwischen den Sektoren und Ländern, die auf unterschiedliche Weise zur Reduktion beitragen müssen, konnte nicht geklärt werden.

An genau dieser Frage scheiterte nun der erste Folgegipfel der Staats- und Regierungschefs am Dienstag. Obwohl Ratspräsident Charles Michel einen Durchbruch erreichen wollte, blieb es bei äußerst vagen Formulierungen im Schlussdokument des Gipfels. Es konnte nicht einmal eine Einigung darüber getroffen werden, welche grundlegenden Vorgaben der EU-Kommission mitgegeben werden sollen, damit diese bis zum 14. Juli das rechtliche Paket zur Umsetzung des neuen Klimaschutzziels schnürt.

Stattdessen öffnete sich eine neue Kluft zwischen Westen und Osten. Bulgarien und Tschechien haben bereits klar gemacht, dass sie eine Verringerung des nationalen Ausstoßes um 55 Prozent für nicht machbar halten. Auch Polen erhob erneut Einwände. Wie es aus Ratskreisen hieß, forderten mehrere mittel- und osteuropäische Länder einen neuen Spielraum bei EU-Förderungen. Demnach sollen die Gelder für ärmere EU-Länder erhöht werden, damit diese ihre Klimaschutzziele erreichen.

Laut dem einstigen Gipfelbeschluss soll das 55-Prozent-Ziel von allen Mitgliedstaaten gemeinsam erreicht werden und nicht von jedem einzelnen Land. Damit könnte beispielsweise Ländern wie Polen, die nach wie vor Kohle als eine zentrale Energiequelle nutzen, mehr Zeit für eine Anpassung gegeben werden. Doch während osteuropäische Länder nun höhere Einschnitte fürchten, sind die westeuropäischen Ländern nur zu einem eingeschränkten Entgegenkommen bereit. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte in Brüssel klar: „Deutschland ist in Vorleistung getreten. Wir haben unsere nationalen Ziele verschärft und wollen Klimaneutralität bereits bis 2045 erreichen.“ Allerdings war die deutsche Bundesregierung durch ein Verfassungsurteil zum Nachbessern der deutschen Klimapolitik verdonnert worden.

Aus den Schlussfolgerungen des Gipfel wurden letztlich zwei konkrete Passagen gestrichen: „die Notwendigkeit, nationale Ziele aufrechtzuerhalten“ sowie „die Notwendigkeit, EU-weite sektorale Maßnahmen und Politiken zu stärken, um Treibhausgasemissionen zu senken“.Damit geht der Gipfelbeschluss sogar weiter zurück, als bei den bisherigen Zielen festgelegt worden ist. Der Spielraum für die EU-Kommission bei der Formulierung des Rechtsrahmens wird noch kleiner. Eine der treibenden Kräfte war laut Beobachtern Polen gewesen. Die Regierung in Warschau steht in Fragen der Kohlenutzung derzeit auf Kriegsfuß mit der EU. Erst vor wenigen Tagen hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) einer Klage Tschechiens Recht gegeben, wonach der Braunkohleabbau im polnischen Turów aus Umweltgründen gestoppt werden müsse.

Der Streit wird sich noch über mehrere Monate ziehen. Sobald die EU-Kommission im Juli ihr Gesetzespaket vorlegt, das beispielsweise Sektoren wie den Verkehr, die Gebäude, die Industrie oder die Energiegewinnung umfasst, dürfte der Konflikt in die nächste Runde gehen. Eine Einigung könnte dann bis zum nächsten Jahr dauern.

Österreich will Transit einrechnen

Schon bisher wurde auf die Situation in osteuropäischen Ländern Rücksicht genommen. Laut den aktuell geltenden Regeln müssen sie beim Klimaschutz im Verkehr oder beim Heizen von Gebäuden im Vergleich zu Ländern wie Luxemburg oder Deutschland deutlich weniger ambitioniert vorgehen.

Österreich stehe „für ambitionierte Klimaziele. Wir wollen aber, dass alle Mitgliedstaaten einen Beitrag leisten“, forderte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Rande des EU-Gipfels. Zuvor hatte er bereits eingemahnt, dass im Falle Österreichs der von ausländischen LKW verursachte Ausstoß im Transitverkehr berücksichtigt werden müsse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2021)

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