Der Zugang zu den Registerdaten ist in den nordischen Ländern schon lange Teil der politischen Kultur. In Österreich gibt es bei der Registerforschung noch viel Luft nach oben.
Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.
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In der Wissenschaftsgemeinde ist es hinlänglich bekannt, dass es in den nordischen Ländern den besten Zugang zu Daten gibt. Erstaunlicherweise resultiert dieser jedoch nicht auf Drängen der Forscherinnen und Forscher.

Claus Thustrup Kreiner (Universität Kopenhagen), erklärt, dass politische Entscheidungsträger in Dänemark ihren bestmöglichen Job machen wollen, und daher dafür Sorge tragen, dass Daten mit maximaler Qualität zur Verfügung stehen. Öffentliche und privaten Institutionen haben über „Danmarks Statistik" einen sicheren und geregelten Zugang zu sämtlichen Daten, die der Staat erhebt. Damit wird in den unterschiedlichsten akademischen Disziplinen auf höchsten Niveau geforscht und vor allem auch nationale Politikmaßnahmen evaluiert.

Ein ähnliches Bild skizziert Kjell G. Salvanes (Norwegian School of Economics), einer der Pioniere der sogenannten Registerforschung, für Norwegen. Er beschreibt einen politische Prozess in dem die Politik aktiv an die Wissenschaft mit konkreten Fragestellungen herantritt. Es werden Expertengruppen gemeinsam mit den Ministerien gebildet. Zuerst bespricht man vorhandene Evidenz und dann werden weitere empirische Analysen koordiniert. „Statistisk sentralbyrå" stellt dafür ihre exzellente Datenbasis bereit.
Dan-Olof Rooth von der Universität Stockholm erläutert, dass der Zugang zu Daten in Schweden aus dem Grundsatz der Transparenz und effizienten Umgang mit Steuermitteln herrührt. Die Steuern sind hoch und den Politikerinnen und Politikern ist es bewusst, dass sie im Gegenzug mit den Mitteln die bestmögliche Politik machen müssen.

Es scheint im Norden der Grundsatz der Evidenz-basierten Politik tatsächlich gelebt zu werden. Der langjährige Zugang zu den Registerdaten ist somit eine Konsequenz einer politischen Kultur.
Datenzugang als ein Grundprinzip der Demokratie
Der gemeinsame Ursprung dieser Kultur ist ein Grundprinzip der nordischen Demokratie, welches den Staat zu Offenheit und Transparenz verpflichtet. Daraus folgt die Notwendigkeit, dass alle Maßnahmen der Regierungsbehörden auch evaluiert werden können. Dazu braucht es entsprechende Registerdaten. In den nordischen Ländern gibt es schon lange nationale Gesetze die garantieren, dass Daten die ursprünglich zu Verwaltungszwecken erhoben wurden, für die wissenschaftliche Forschung verfügbar sein sollen. Dieser Grundsatz ist auch in der EU-Datenschutzrichtlinie enthalten, die die Verknüpfung von Daten in Verwaltungsakten zu statistischen Zwecken zulässt, da dies nicht als Gefährdung der Privatsphäre oder der Rechte des Einzelnen angesehen wird.
Wichtig ist anzumerken, dass in allen nordischen Staaten hier der Grundsatz verfolgt wird, dass der Informationsfluss von den Verwaltungsbehörden zu den statistischen Ämtern erfolgt—und niemals umgekehrt. Die Bürgerinnen und Bürger sollen mehr über den Staat erfahren als dieser über sie.
Warum sind Registerdaten so wertvoll für die Forschung und Gesellschaft
Registerdaten haben eine Reihe von Eigenschaften, die sie für den Erkenntnisgewinn so wertvoll machen. Zumeist decken diese Daten die gesamte Bevölkerung ab. Statistische Auswertungen leiden daher nicht unter stichprobenbasierten Unsicherheiten. Der große Datenumfang erlaubt es selbst seltene — aber wichtige — Ereignisse zu untersuchen und sich etwa auf kleine Teilpopulationen (wie etwa Personen mit seltenen Krankheiten) zu konzentrieren. Der Umfang ermöglicht auch aussagekräftige Analyse von Heterogenität (d.h. Gruppenvergleichen). Diese Daten sind in der Regel von hoher Qualität. Es gibt keine oder nur wenige Probleme mit fehlenden Daten oder sogenannter Panelsterblichkeit. Im Vergleich zu Befragungsdaten stellen falsche oder fehlenden Antworten kein Problem dar und es gibt weniger Messfehler. Die Längsschnittstruktur der Registerdaten ermöglicht es, langfristige Ergebnisse und generationsübergreifende Aspekte zu untersuchen. Schließlich vergrößert die Verbindungsmöglichkeiten über verschiedene Verwaltungsbereiche hinweg (z. B. Arbeitsmarktaktivitäten mit der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens), den Spielraum für überprüfbare Hypothesen und ermöglicht die Analyse verschiedener Peer-Group-Aspekte. In jüngster Zeit ist es einigen Forschern sogar gelungen, Verwaltungsdaten länderübergreifend zu verknüpfen.
Austrian Micro Data Center
Die österreichische Regierung arbeitet derzeit an der legistischen Umsetzung eines sogenannten „Austrian Micro Data Center“, in dem Registerdaten kombiniert und analysiert werden können, die bis dato für die Wissenschaft verschlossen waren. Ähnlich der Situation in den nordischen Ländern, sollen „sämtliche Verzeichnisse, Datenbanken oder ähnliche Anwendungen oder Verarbeitungsplattformen“ bei der Statistik Austria gebündelt werden und dann den Forscherinnen und Forschern Zugang zu diesen ermöglichen Diese Initiative ist aus Sicht der Wissenschaftsgemeinde und den Anhängern eine Evidenz-basierten Politik klar zu begrüßen. Für eine erfolgreiche Umsetzung des AMDC sind aber eine Reihe von Aspekten noch zu klären:
- Erstens, braucht es eine entsprechen finanzielle Ausstattung, die es ermöglicht kostengünstig im AMDC zu arbeiten.
- Zweitens, muss eine Governance-Struktur geschaffen werden, welche auch die nationale Wissenschaftsgemeinde einbindet.
- Drittens, braucht es den gelebten Mut und Willen der Politik sowie der Behörden diesen Kulturwandel hin zu der Offenheit und Transparenz zu vollziehen.
Der Autor
Martin Halla ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität Linz. Sein primäres Forschungsgebiet ist die angewandte Mikroökonometrie in den Bereichen Arbeit, Familie und Gesundheit.
