LITERATUR

Nicht nur Russen sind so seltsam

Gaito Gasdanows neugierige Erzählungen aus dem Pariser Exil liegen erstmals auf Deutsch vor.

Ein Panoptikum. Ein Panoptikum seltsamer Figuren: Da wäre General Soikin, der eigentlich kein General ist, ja nicht einmal gedient hat, und der für seine ausgesuchte Höflichkeit bekannt ist – außer jemand lässt sich von seinen formvollendet vorgetragenen Argumenten nicht überzeugen. Dann haut er hin. Ein ehemaliger Mönch, der sich zuerst in die neue Kunst des Lichtspiels, dann in eine Sängerin verliebt und schließlich als geistlicher Ratgeber der Oberschicht reich wird. Sangesfreudige Schwarzhändler, bärenstarke Arbeiter, Mörder, Selbstmörder – und tatsächlich könnte man meinen, die Figuren wären ein wenig zu kurios, zu folkloristisch: saufende, singende, schlagkräftige Russen. Wenn, ja wenn.

Wenn Gaito Gasdanow, 1903 in Sankt Petersburg geboren und 1971 in München gestorben, nicht diesen seltsam distanzierten Blick auf sie würfe. Als wüsste er selbst nicht, was denen als nächstes so einfiele. Als wäre er erstaunt darüber, dass der sanfte Mönch am Ende einem Kater den Kopf eintritt und zusieht, wie er verendet. Ein wenig erscheint uns dieser Autor wie sein Ich-Erzähler im titelgebenden Text „Schwarze Schwäne“: Ein Bekannter eröffnet ihm beiläufig, dass er sich am 25. des Monats umzubringen gedenkt. Will der Ich-Erzähler ihn umstimmen? Will er ihn retten? Nein. Er erkundigt sich freundlich nach dessen Beweggründen. Nicht aus Gleichgültigkeit. Sondern weil es keinen Zweck hat. Oder um eine Passage aus der Erzählung „Hawaiigitarren“ zu zitieren, in der Gasdanow den frühen Tod seiner Cousine verarbeitet: „Blickte Alexej Stepanowitsch auf diese sich trübenden Augen, dachte er in hilfloser und tödlicher Verzweiflung, dass er die wenigen Freuden seines Lebens und das Leben selbst dafür hergeben würde, sie zu retten; aber diese Bereitschaft war ebenso nutzlos wie alles übrige.“

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