Analyse

Europas Börsen auf Rekordhoch

Für Trader gab es in diesem Jahr schon einige gute Tage. Ob das so bleiben wird?
Für Trader gab es in diesem Jahr schon einige gute Tage. Ob das so bleiben wird? REUTERS
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Mehr Impfungen, ein höheres Wirtschaftswachstum und gute Firmenbilanzen haben den Börsen Auftrieb gegeben. Die Inflationssorgen erweisen sich allerdings als Damoklesschwert.

Wien. Die Börsen befinden sich auf – oder in der Nähe von – Rekordständen. Diesen Freitag durfte sich der breite europäische Aktienindex Stoxx 600 über einen neuen Höchststand freuen: 448,55 Zähler, das hatte es zuvor noch nie gegeben – schon gar nicht inmitten einer Pandemie.

Der Index, in dem die 600 größten Unternehmen Europas gelistet sind, hat seit Jahresbeginn um knapp zwölf Prozent zugelegt. Seit Anfang 2020 liegt das Plus allerdings nur bei mageren sieben Prozent. Sein Pendant in den USA hat da weit mehr Boden gutgemacht: Im S&P 500 gibt es seit Jänner des Vorjahres Kursanstiege von rund 30 Prozent, heuer sind es immerhin knapp über 13 Prozent.

Dass die Aktienmärkte derzeit generell so gut laufen, ist mehreren Faktoren geschuldet, die mit der Coronakrise alle einen gemeinsamen Nenner haben. Da wären zum einen die höheren Impfraten, die immer mehr Lockerungen möglich machen und die Wirtschaft aufs Neue beleben können. Der Konjunktur wird in diesem Jahr nicht umsonst ein schönes Comeback zugetraut. Die EU-Kommission glaubt immerhin an ein Jahreswachstum von 4,3 Prozent und ist damit deutlich zuversichtlicher als noch in den Wintermonaten. Und auch die Stimmung in der europäischen Wirtschaft kann sich angesichts der Gemengelage sehen lassen. Das Geschäftsklima im Mai war so erfreulich wie seit Ende 2017 nicht mehr, das Barometer befindet sich derzeit weit über dem langjährigen Schnitt. Vor allem bei den Dienstleistern besserte sich die Stimmung nachhaltig, aber auch in der Industrie, im Einzelhandel, am Bau und unter den Verbrauchern macht sich wieder Optimismus breit. Die Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB), Isabel Schnabel, sieht die Wirtschaft der Eurozone daher an einem positiven „Wendepunkt“.

Zykliker sind vorn

Die Unternehmen der Eurozone haben ebenso geliefert: Die Analysten erwarten, dass die Firmen des Stoxx 600 ihre Gewinne im ersten Quartal im Schnitt um über 90 Prozent steigern konnten. Ein Großteil der Unternehmen konnte dabei die Erwartungen der Analysten übertreffen, vor allem jene aus dem Bereich Grundstoffe, Konsum und Energie. Für das zweite Quartal stehen ebenfalls satte Überschüsse an. Die Überraschungsmomente haben sich allerdings nicht zwangsläufig in stark steigenden Kursen widergespiegelt.

Doch kommt den europäischen Unternehmen derzeit vor allem eines zugute: ihre Konjunkturempfindlichkeit. Auf dem alten Kontinent gibt es viel Industrie, viele Rohstoffwerte und Banken, die nun, wo sich die Aussichten bessern, deutlich stärker profitieren. Während sich die in den USA beheimateten Technologiewerte in den vergangenen Wochen dagegen vielfach von ihren Allzeithochs entfernt haben. Ihre überragende Performance, die sie 2020 an der Börse ablieferten, wird nun zum Hemmschuh. Wie auch die Sorge vor einem nachhaltigen Anstieg der Inflationsrate, die in den USA zuletzt schon über vier Prozent ausmachte. Die Renditen der Staatsanleihen erhöhten sich deshalb gewaltig, die Aktienmärkte zeigten sich ebenfalls wenig erfreut.

Die Sorgen rund um die Inflation sind es auch, die die Märkte in den kommenden Wochen weiter in Atem halten werden. „Die übergeordnete Richtung für die kommenden Monate dürfte maßgeblich von der Antwort auf die Frage abhängen, ob die Inflation nur temporär oder doch dauerhaft höher sein wird“, sagt Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Die Geldpolitik dürfte freilich auch keine so kleine Rolle spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2021)

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