Ökonomie

Lithiumabbau beschert Südamerika Wassermangel

Wegen des hohen Verdunstungs- und des niedrigen Niederschlagsgrades müssten die Grundwasservorkommen im Gebiet der Salzseen als nicht erneuerbar angesehen werden.
Wegen des hohen Verdunstungs- und des niedrigen Niederschlagsgrades müssten die Grundwasservorkommen im Gebiet der Salzseen als nicht erneuerbar angesehen werden. (c) imago images/Panthermedia (elleon via www.imago-images.de)
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Globale Warenketten verbinden Arbeits- und Lebensverhältnisse von Nord und Süd. Kontrolliert von transnationalen Konzernen, verfestigen sie gesellschaftliche Ungleichheiten. Der Ressourcenabbau für „grüne Technologien“ wie Elektroautos stellt keine Ausnahme dar.

Die technische Forschungsleistung und das Design eines iPhone kommen aus den USA, die verbauten Rohstoffe wie Quarzsand, Aluminium, Kobalt, Tantal, Palladium und Kupfer aus Chile, Peru, Sambia und dem Kongo. In Japan werden die Bluetooth- und WiFi-Komponenten für das Mobiltelefon hergestellt, und ein taiwanesischer Zulieferer sorgt für Beschleunigungsmesser und Sensoren für die Lagebestimmung. Auch die mikroelektronischen Bestandteile werden in dem ostasiatischen Land produziert. Fertig? Noch nicht ganz. Fehlen noch Display, Speicher- und Anwendungsprozessoren und Mobilfunkkomponenten – diese werden von Südkorea und Deutschland beigesteuert. Ach, ja. Zusammengebaut wird das Smartphone schließlich in chinesischen Fabriken. Nach seinem Verkauf wird es in Österreich durchschnittlich 18 bis 24 Monate verwendet. Weil die Entsorgung in westlichen Ländern aufgrund strenger Auflagen für Elektroschrott kompliziert und teuer ist, landet das weggeworfene Handy schließlich wieder dort, wo seine Rohstoffe herkommen – im Globalen Süden.

Die Computerindustrie gibt ein gutes Beispiel für die Beschreibung globaler Warenketten ab. Die Soziologin Karin Fischer (Universität Linz), der Statistiker und Ökonom Christian Reiner (Lauder-Business-School) und die Entwicklungsökonomin Cornelia Staritz (Universität Wien) haben nun vor Kurzem ein Buch herausgegeben, das sich genau damit beschäftigt. Die Beiträge in dem Sammelband hinterfragen die Organisation sowie die Machtstrukturen weltweit verstreuter Produktionsprozesse. Angefangen bei Transportwegen und Transportkosten über Arbeitsbedingungen und Konflikte bis hin zu Konzernmacht und Regulierungsansätzen sowie historischen Perspektiven – die Autorinnen und Autoren beleuchten den Weg der Güter, die wir konsumieren, aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven. Neben Arbeit, Kapital und Konsum sind die Auswirkungen von globalen Warenketten auf die Umwelt ein wesentlicher Schwerpunkt des Buches.

Das Saudiarabien des Lithiums

So setzt sich die Politikwissenschaftlerin Isabella Radhuber von der Uni Wien in ihrem Beitrag mit Ressourcenkonflikten in Südamerika auseinander. „Ohne tiefer gehenden Wandel wird ein technologischer Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft den Bedarf an natürlichen Ressourcen keineswegs reduzieren, sondern allenfalls die Nachfrage auf neue ,kritische Metalle‘ verschieben“, schreibt sie. Der Bedarf an Aluminium, Kobalt, Lithium, Mangan und Nickel, die unter anderem in Batterien für Elektrofahrzeuge und in der Energiespeicherung genutzt werden, steige drastisch – Konflikte sind programmiert.

Für großen Aufschrei sorgte etwa schon in der Vergangenheit der Abbau von Lithium im Dreiländereck von Bolivien, Chile und Argentinien. In den dortigen Salzseen befinden sich rund 80 Prozent des weltweiten Vorkommens des Leichtmetalls. Es handelt sich um eine der trockensten Regionen der Welt, die seit Jahrtausenden von indigenen Bevölkerungen bewohnt wird. In Bolivien mit dem größten Salzsee weltweit, dem Salar de Uyuni, erhofft man sich vom Lithiumabbau ein umweltpolitisches Vorzeigeprojekt auf internationaler Ebene, doch indigene Rechte erfahren bislang wenig Beachtung. Auch nicht in Argentinien. So schlossen sich hier 33 Gemeinschaften um den Salzsee von Salinas Grandes zusammen und brachten vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage ein. In Chile wurden Abbauprojekte in der Hoffnung auf Arbeitsplätze erst positiv aufgenommen, im Laufe der Zeit mehrten sich ökoterritoriale Forderungen ebenfalls. „Für den Abbau von einer Tonne Lithium werden zwei Millionen Tonnen Wasser verbraucht“, sagt Radhuber. Wegen des hohen Verdunstungs- und des niedrigen Niederschlagsgrades müssten die Grundwasservorkommen im Gebiet der Salzseen als nicht erneuerbar angesehen werden. „Es geht um die Existenz von Lebenswelten, um symbolische Landschaftsbedeutungen und um materielle Lebensgrundlagen.“

Ein Blick in den Umweltgerechtigkeitsatlas „EJ-Atlas“ zeigt allein für Lateinamerika über 500 Konflikte um Ressourcenextraktion. Dabei würden die Abmilderung von sozialen, aber auch ökologischen Folgen und mehr Mitspracherecht in Entscheidungsprozessen gefordert. Radhuber plädiert dafür, indigene und regionale Stimmen zu stärken: „Das ist für eine sinnvolle Ausgestaltung von Nachhaltigkeitsagenden unabdingbar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2021)

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