Logistik

Nie mehr zum Abholshop ans andere Ende des Bezirks pendeln

Stationen, die von allen Paketdienstleistern genutzt werden können, erleichtern das Leben der Konsumenten. In Zeiten des boomenden Onlinehandels verringern zentral gelegene Abholboxen auch das Verkehrsaufkommen und CO2-Emissionen.

Der Onlinehandel erlebte schon vor der Pandemie einen Boom, aber durch Corona ist er noch relevanter geworden“, sagt Reinhold Schodl vom Studiengang „Logistik und Transportmanagement“ an der Fachhochschule des BFI Wien. Mit dem Austrian Institute of Technology (AIT), der TU Wien und den Unternehmen Storebox und Variocube setzte er ein Projekt um, das die Auslieferung der Pakete umweltfreundlicher gestalten soll. Das Projekt „alBox“ wurde vom Klima- und Energiefonds gefördert und baut auf White-Label-Abholstationen, das sind Paketboxen, die für alle Logistikdienstleister offen sind. In Österreich gibt es eine Handvoll Paketdienstleister, die jeweils ihre eigenen Systeme etabliert haben, wo sie Sendungen abliefern, wenn Kunden nicht zu Hause sind. Das erschwert das Leben der Konsumentinnen und Konsumenten aber, denn so kann es passieren, dass man zu drei verschiedenen Abholstationen fahren muss, um alle Pakete einzusammeln, die man bestellt hat.

„Diese Logistikunternehmen sind sehr effizient aufgestellt: Das meiste läuft hoch standardisiert und gut planbar ab“, sagt Schodl. Doch die berühmte „letzte Meile“ ist schwer planbar: Denn Empfängerinnen und Empfänger sind nicht standardisiert. Der eine ist nicht daheim, die andere will Packerln an einen anderen Ort geliefert haben. AuchBusiness-to-Business-Lieferungen sind nicht einfacher, denn Büros sind nicht rund um die Uhr besetzt. „Auf der letzten Meile liegt das größte Potenzial, um etwas zu verbessern“, sagt Schodl. Das Team testete, welche Vorteile günstig gelegene Abholstationen bieten, die 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche zugänglich sind und in die jeder Dienstleister Pakete zustellen kann.

In Kaumberg und Wien Margareten

„Die derzeitigen Lösungen sind nicht nur für Empfängerinnen und Empfänger, sondern auch für die Umwelt nicht immer optimal“, sagt Schodl. Durch die Herumfahrerei geht viel CO2 in die Atmosphäre: Sowohl die Paketdienstleister verursachen Emissionen und Verkehrsbehinderungen, wenn sie von Tür zu Tür gondeln, als auch die Konsumenten, wenn sie von Abholshop zur Post und zurück fahren.

In dem Forschungsprojekt wurden nun zwei Abholstationen aufgestellt: Eine in Wien Margareten im Stiegenhaus eines Wohngebäudes und eine im ländlichen Bereich, in Kaumberg in Niederösterreich. „Die Vorteile sind schnell erklärt“, sagt Schodl. Erstens profitieren die Konsumenten, wenn eine der Boxen des White-Label-Netzes in ihrer Nähe ist und man den Weg in gewohnte Abläufe einbauen kann. Zweitens können Paketdienstleister ihre Effizienz steigern, indem statt redundanter Netzwerke das optimierte White-Label-Netz genutzt wird. „Und drittens kann der Verkehr reduziert werden, was gut für die Umwelt ist“, sagt Schodl. Ergebnisse des Pilotbetriebs in Kaumberg zeigen eine Reduktion der CO2-Emissionen um drei Prozent auf der Empfängerseite und um 15 Prozent auf der Seite der Paketdienstleister. „Aber es kommt immer darauf an, wie es gestaltet ist“, sagt Schodl. Wichtig sei ein kluges Netzwerk an Abholstationen. Dabei sind die Ansprüche von Stadt und Land sehr unterschiedlich.

In der Stadt sind die durchgehenden Öffnungszeiten wichtiger, auf dem Land die Parkplätze bei der Station und die zentrale Lage entlang von Arbeitswegen. Das Forscherteam speiste die Daten der Fallstudien in Simulationsmodelle ein, um die Umweltauswirkungen konkret zu analysieren.

„In die umfassende Bewertung fließen zudem die Anforderungen verschiedener Nutzergruppen und Stakeholder sowie ökonomische Überlegungen ein“, sagt Schodl. Er betont, dass das offene System der Abholstationen auch lokalen Händlern und Produzenten einen neuen Vertriebskanal eröffnet, denn sie können ihre Produkte direkt in einer der Abholstationen abliefern. Und Privatpersonen können die Boxen nutzen, um z. B. eine Bohrmaschine an Nachbarn zu verleihen oder bei Privat-zu-privat-Verkäufen die Übergabe zu erleichtern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2021)

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