Morgenglosse

Wen jucken schon Schulden?

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FILES-US-CHINA-HEALTH-VIRUS-POLITICS-PROBEAPA/AFP/NICHOLAS KAMM
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US-Präsident Joe Biden gräbt ein Haushaltsloch von ungeahnter Größe. Vorbei ist die Zeit der Sparsamkeit. Noch nie waren die Industrieländer so tief in den Miesen. Über Schuldenabbau spricht keiner.

„Nicht einmal Milliarden von Billionen können Sie unterscheiden“, empörte sich schon so mancher Leser der „Presse“. Dann setzt man zur traumatisierenden Aufklärungsarbeit an. Nein, nein, das stimmt schon. Es handelt sich tatsächlich um Billionen, die Zahl mit zwölf Nullen.

Dafür muss man erst einmal eine Vorstellungskraft entwickeln. US-Präsident Joe Biden hat sie hoffentlich. Laut Schätzungen reißt sein vorgelegter Haushaltsplan ein Defizit in Höhe 1,8 Billionen Dollar in das Budget. Ausgleichen sollen das Unternehmen und Reiche. Die will er kräftig besteuern. Doch vielen Experten ist klar, dass er um Kredite nicht herumkommen wird.

Keine Scham wegen Schulden

Die Staatsverschuldung der weltgrößten Volkswirtschaft überspringt heuer die Marke von 30 Billionen Dollar. In keinem anderen Land war die Staatsverschuldung in absoluten Werten so hoch wie derzeit in den USA.

Nicht nur die USA hat jede Schuldscham abgelegt. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) waren die Industriestaaten in Relation zum BIP noch nie seit Beginn der Industrialisierung so hoch verschuldet wie jetzt. Damit hat der Zweite Weltkrieg die entwickelten Länder weniger tief in das Schuldendilemma gedrückt als die jetzige Pandemie.

Natürlich waren die Staatshilfen in Milliardenhöhe im Kampf gegen die Pandemie wichtig, sonst hätten wir längst eine Depression. Doch inzwischen gewinnt man den Eindruck, dass Staaten ihren Freifahrtschein missbrauchen.

Schulden sind eine riskante Wette

Als Griechenland in der Eurokrise zur Austerität gezwungen wurde, hagelte es Kritik. Die Wolfgang Schäubles dieser Welt verstummten. Inzwischen spricht sich selbst unser EU-Kommissar Johannes "Gio" Hahn dafür aus, die fixe Staatsschuldenregel des Maastricht-Vertrags zu kippen. Es sei sinnlos, eine Staatsschuldengrenze von maximal 60 Prozent des BIPs vorzuschreiben, wenn Länder wie Griechenland (205 Prozent Schuldenquote) oder Italien (156 Prozent) so weit von der Schuldengrenze entfernt seien, erklärte der für Haushaltsfragen zuständige Kommissar.

Galt Österreich nicht einmal als Mitglied der "Sparsamen Vier"? Aber wenn es sich nicht ausgeht, werden eben die Regeln geändert - solange andere dafür haften. Irgendwann wird sich der Kapitalmarkt fragen, ob die Schuldenentwicklung noch nachhaltig ist. Denn Schulden sind nichts anderes als eine Wette. Eine Wette darauf, dass die Wirtschaft irgendwann wieder schneller wächst als die Verschuldung. Ob da Europa und die USA die besten Karten haben, bleibt abzuwarten.

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