Österreich ist der zweitgrößte Investor in Belarus. Wie sollen sich Unternehmen verhalten, die in einem autoritären Land tätig sind? Eine Gratwanderung.
Eine staatlich angeordnete Flugzeugentführung und das mitten in Europa: Die Ereignisse vom Pfingstsonntag haben so ziemlich alle Befürchtungen übertroffen, wie der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko mit Regimekritikern verfährt. Unter dem Vorwand einer Bombendrohung ließ er bekanntlich eine Ryanair-Maschine von Kampfjets abfangen und nach Minsk umleiten. Dort verhaftete die Polizei den an Bord befindlichen Aktivisten Roman Protassewitsch und dessen Freundin. Die EU kündigte umgehend Sanktionen an. Auch in Belarus engagierte Unternehmen beobachten die Entwicklung mit Besorgnis. Österreich ist nach Russland der größte Investor im Land. Unternehmen wie A1, Raiffeisen International, Kapsch, Kronospan oder die Vienna Insurance Group beschäftigen gemeinsam Tausende Menschen. „Wir haben vor allem auch eine Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern“, sagte ein Sprecher eines heimischen Unternehmens. Und dies sei auch der Grund, warum man sich offiziell zu den Vorfällen nicht äußere.
Wirtschaft und Politik zu trennen, ist generell schwer möglich, in Belarus ist es de facto unmöglich. Denn das Land wird auch dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wie ein Sowjetstaat geführt und organisiert. „Weißrussland hat den Weg der Reformen nicht mitgemacht“, sagt Vasily Astrov, Osteuropa-Experte am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Während in anderen Ländern der früheren Sowjetunion die politischen Umwälzungen auch zu neuen wirtschaftlichen Verwerfungen führten, blieb es in Belarus bei den alten Verwerfungen. Alte Industrien blieben, aber auch die Arbeitsplätze. Noch immer werden Elektrogeräte, Lkw und Maschinen nach überholten Standards produziert. „Die Produkte sind in Westeuropa unverkäuflich“, meint Astrov. Aber in Russland und anderen ehemaligen Sowjetstaaten nicht. Russland sei vor allem auch als Absatzmarkt immens wichtig.