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Türkis-grüner Streit um ÖVP-Ermittlungen geht weiter

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20210517 103. Parliamentary Session of the XXVII. Legislative Period - Special session VIENNA, AUSTRIA - MAY 17: Delegatimago images/SEPA.Media
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Während SPÖ und Neos FPÖ-Klubobmann Kickl eine Absage erteilen, legt die ÖVP im Streit um die „revanchelüstige“ WKStA nach.

In den Koalitionsparteien zieht in der Frage der Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) weiter keine Ruhe ein. Nachdem die grüne Klubobfrau, Sigrid Maurer, am Samstag ein Ende der türkisen Angriffe gegen die WKStA gefordert hatte („Dieses Verhalten ist einer bürgerlichen Partei unwürdig“), legte ihr Koalitionspartner am Sonntag nach.

Der ÖVP-Fraktionschef im U-Ausschuss, Andreas Hanger, unterstellte der WKStA, aus puren „Revanchegelüsten“ gegen ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker ermitteln zu wollen. Die Behörde treibe Ermittlungen gegen Steinacker voran, weil die Abgeordnete parlamentarische Anfragen zu den „Verfehlungen“ der Korruptionsermittler gestellt und damit unbequem geworden sei. Zum Beleg brachte Hanger vor, dass gegen andere Abgeordnete mit Nebeneinkünften nicht ermittelt wird.

Zuvor hatte Maurer der ÖVP einen „unsouveränen Umgang“ mit den Ermittlungen gegen ÖVP-Politiker ausgestellt: „Die permanente Unterstellung an die Justiz, sie würde politisch agieren, ist strikt zurückzuweisen. Die ÖVP versucht damit kontinuierlich, die Glaubwürdigkeit der Judikative und damit einer zentralen Säule unserer Demokratie zu beschädigen.“ Das werde auch von ÖVP-Wählern nicht goutiert. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) garantiere dafür, dass die Behörden in Ruhe arbeiten können. „Ich fordere die ÖVP auf, ihre unsouveränen Attacken einzustellen und zu einem seriösen und verantwortlichen Umgang mit der Justiz zurückzukehren“, sagte Maurer.

Unterstützung erhielt sie dabei aus der Opposition. SPÖ, FPÖ und Neos stellten sich am Wochenende hinter die Ermittler und warnten vor den Folgen der Attacken der ÖVP für das Vertrauen in die Justiz. SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim erinnerte daran, dass die WKStA jeder stichhaltigen Anzeige nachgehen müsse, weil sie sonst selbst einen Amtsmissbrauch begehen würde.

Wöginger: Ermittlungen „politisch motiviert“

Ausgelöst hatte Maurers Reaktion unter anderem ein Interview ihres Kollegen in der ÖVP, des Klubobmanns August Wöginger. Man sehe die Ermittlungen „politisch motiviert an“, sagte er in „ATV aktuell“. Und: „Es kann nicht sein, dass hier einfach Abgeordnete oder Regierungsmitglieder herausgepickt werden, obwohl es eine Vielzahl an vergleichbaren Fällen auch bei anderen Fraktionen gibt.“ Die ÖVP werde sich das nicht gefallen lassen.

Die WKStA ermittelt derzeit im Umfeld von zahlreichen ÖVP-Politikern, allen voran Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen falscher Zeugenaussage im Ibiza-U-Ausschuss sowie Finanzminister Gernot Blümel wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit im Kontext eines Spendenangebots von Novomatic. Auch gegen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl wird ermittelt. Seit Mittwoch ist bekannt, dass Steinacker unter Untreueverdacht steht. Die WKStA geht dem Hinweis einer Whistleblowerin nach, wonach der Posten der Abgeordneten bei der Immobilienfirma Raiffeisen Evolution von 2013 bis 2017 eine verdeckte Parteispende war.

SPÖ und Neos geben Kickl einen Korb

Unterdessen stößt das von FPÖ-Klubchef Herbert Kickl in den Raum gestellte Angebot, mit SPÖ, Grünen und Neos gegen die ÖVP zu koalieren, auf Widerstand. Die SPÖ verwies am Sonntag darauf, einen fliegenden Wechsel schon im Februar ausgeschlossen zu haben. „Auf Bundesebene wird es eine Regierungsbeteiligung der SPÖ nur nach Nationalratswahlen geben“, sagte Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig (SPÖ), im „Kurier“. Dazu gebe es einen Beschluss im Bundesparteivorstand. Skepsis äußerte auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in der ORF-„Pressestunde“. „Ich glaube, da sind doch die einen oder anderen inhaltlichen Themen mehr als nur Fragezeichen.“

Kickl hatte am Wochenende das von FPÖ-Parteichef Norbert Hofer bereits zurückgewiesene Angebot einer Allparteienkooperation gegen die ÖVP erneuert. Im „Profil“ sprach er sich für eine Zusammenarbeit mit SPÖ, Grünen und Neos aus, „um die Machtposition der ÖVP irgendwann einmal zu durchbrechen“.

Der ÖVP zufolge agiert Kickl „blind vor Hass auf Sebastian Kurz“. Um „unseren erfolgreichen Bundeskanzler“ zu stürzen, sei der FPÖ „mittlerweile jedes Mittel recht“, sagte Generalsekretär Axel Melchior via Aussendung. „Mit dem blauen Geständnis, eine Links-Koalition ermöglichen zu wollen, machen sich die Freiheitlichen zum Handlanger linker Träumereien.“

(juwe/APA)

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