Long Covid

Die drohende Pandemie im Schatten der Pandemie

Insgesamt leiden etwa zwischen zehn und 20 Prozent der Patienten auch Wochen nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung noch an Folgewirkungen
Insgesamt leiden etwa zwischen zehn und 20 Prozent der Patienten auch Wochen nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung noch an Folgewirkungen(c) imago/MITO (MITO images)
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Nicht nur bei der Kostenübernahme durch die Kassen, auch beim „Genesenen“-Status gibt es Unklarheiten.

„Ich sitze in meinem Schlafzimmer auf dem Boden, alles ist voller Blut. Klingt wie in einem Psychothriller, aber es war ,nur‘ ein epileptischer Anfall. Der erste in meinem Leben.“ Den Vorfall, den der grüne Nationalratsabgeordnete Michel Reimon am Sonntag auf seinem Facebook-Account schilderte, klingt im ersten Moment nach vielem, aber wohl nicht nach den typischen Symptomen einer Long-Covid-Erkrankung. Tatsächlich aber dürften die beiden epileptischen Anfälle, die Reimon kürzlich erlitten hat, eine Folgeerscheinung seiner Corona-Infektion sein. Allerdings: Dass er je an Corona erkrankt war, wusste er bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht. Die mutmaßlich zwischen Sommer und Spätherbst 2020 erfolgte Infektion habe er nicht bemerkt, weil die Erkrankung bei ihm symptomlos verlaufen sei.

Unterdessen litt Reimon seit Dezember 2020 unter starken Leistungsschwankungen und Konzentrationsstörungen bis hin zu zwei epileptischen Anfällen. „Was mich besonders beunruhigt: Ich hatte Corona, sagt der Antikörper-Test, aber hab's monatelang nicht bemerkt“, schreibt er in seinem Posting. Dass es sich um Long Covid handle, wisse Reimon erst seit circa einem Monat. Angesichts der in Österreich inzwischen rund 640.000 laborbestätigten Corona-Infektionen warnte Reimon: „Wenn wir auf mehr als 100.000 Long-Covid-Fälle zusteuern, ist die Pandemie noch nicht besiegt, wenn die Infektionszahlen gering sind.“

Zehn bis 20 Prozent leiden länger

Insgesamt leiden etwa zwischen zehn und 20 Prozent der Patienten auch Wochen nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung noch an Folgewirkungen – von Lungenproblemen, Schwäche bis hin zu psychischen Auswirkungen. Die Gesundheitsreferenten der Länder haben deshalb am Freitag vor einer Woche die Schaffung von speziellen Long-Covid-Rehazentren gefordert. Wiens Gesundheitsstadtrat, Peter Hacker (SPÖ), sagte dazu am Sonntag im ORF-Radio, dass der Reha-Plan des Dachverbands der Sozialversicherungsträger überarbeitet werden müsse, um die Reha-Kosten durch die Sozialversicherung abzudecken. „Wir wollen auf jeden Fall noch in diesem Jahr einen ordentlichen Plan sehen“, sagte Hacker.

„Das muss Teil des Sozialversicherungssystems werden.“
Dass auch Epilepsie eine Folgeerscheinung von Covid-19 sein kann, sei zwar noch nicht gesichert, vieles aber deute darauf hin, sagt Reimon. Mit dem Posting wolle er darauf aufmerksam machen, dass nur ein Antikörpertest tatsächlich darüber aufklären kann, ob man je Coronaviren in sich hatte oder nicht. Und darauf, dass die Long-Covid-Patienten ein politisches Problem seien.


Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) dürfte das als Arzt erkannt haben. In seinen ersten Auftritten wies er auf die Problematik hin. Dafür, dass Mückstein an einer Arbeitsgruppe daran arbeite, sei Reimon „sehr dankbar“.

Absonderungsbescheid zählt nicht

Für die 640.000 Genesenen könnte es nun im Vorfeld des Grünen Passes noch spannend werden: Generell befreit eine überstandene Corona-Infektion in Österreich von der Testpflicht. Durch Vorlage des eigenen „Absonderungsbescheides“ wird die für Gastronomie, Kultur und Reisetätigkeit etc. erforderliche 3-G-Regel (geimpft, getestet, genesen) erfüllt.

Für den in der Vorwoche im Parlament beschlossenen Grünen Pass wird der Bescheid der Gesundheitsbehörden allerdings nicht gezählt. Wie das Gesundheitsministerium bestätigte, werden die Absonderungsbescheide im Rest der EU nämlich nicht akzeptiert. Als Nachweis der Genesung sollen sogenannte Genesungszertifikate dienen. Diese können frühestens elf Tage nach einer Infektion erstellt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die zuständige Behörde die Genesung in dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) vermerkt. Vorerst unklar ist, wie vorgegangen wird, wenn die Eintragung in das EMS nicht oder verspätet erfolgt.

„Fehlerhafte Zertifikate bzw. Einträge können von den zuständigen Behörden jederzeit richtiggestellt werden. Details zum Prozess folgen“, heißt es dazu aus dem Büro von Minister Mückstein. Jedenfalls werde man – wie im Gesetz vorgesehen – eine Supportstelle einrichten. Geplanter Start des Grünen Passes (in Österreich) ist der 4. Juni.

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