Das Tag: Galileo Galilei und der Zwiespalt zwischen Wissenschaft und Glaube

Anna Stöcher
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Prinzipal Gernot Plass untersucht im Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) in einer packenden Multimedia-Show den ewigen Widerstreit von Gefühl und Verstand. Georg Schubert brilliert in vielen Rollen.

„Mir ist kalt“, klagt er, traurig hockt der kleine Mann auf dem Bühnenboden: am Ende seines Lateins. Das TAG zeigt „Ich, Galileo“, nicht das Brechtstück, sondern eine Uraufführung von Prinzipal Gernot Plass, Georg Schubert spielt brillant fast alle Rollen.
Galileo Galilei (1564–1642), ein Genie wie Leonardo da Vinci, ein Erfinder und Forscher, widerrief seine Erkenntnis, dass die Erde um die Sonne kreise und nicht umgekehrt, wegen der Inquisition: Man zeigte Galilei die (Folter-)Instrumente, er entschied sich für Rückzug und „Gänsefleisch“, kurzum für seinen Bauch und nicht für den Kopf. So sagt man. Aber so einfach ist es nicht, Galilei war ein gläubiger Mensch. In seinem Kopf konnten offenbar Religion und Naturwissenschaft nebeneinander existieren, in den Köpfen seiner Verfolger aber nicht. Der Zwiespalt zwischen Glaube und Tatsachen beschäftigt uns oft bis heute.
Anfangs erzählt Galileo seine Geschichte, dann fächert er sich auf in viele Figuren, einen Nihilisten aus Bayern, der Religion für Schwindel und die Kirche für eine Gangsterpartie hält. In einer Fernsehshow namens „Der scharfe Toback“ konfrontiert der Moderator einen zornigen Wissenschaftler mit einem braven Kirchenmann. Das ist die stärkste Szene des Abends, wenn sich der Wissenschaftler immer mehr in seiner Paranoia verheddert und Bruder Kreutel, wie der Name des Kirchenmannes lautet, ihm gelassen und unbeirrt Contra gibt. Der Moderator gießt derweil eifrig Öl ins Feuer, er freut sich über den Streit, das Publikum applaudiert. Offensichtlich kann man mit rhetorischen Kniffen fast jede Masse zum Jubeln bringen oder in einen Mob verwandeln.
Am Schluss rechnet der Protagonist ab: mit allen Mächten, dem postdramatischen Theater und mit seinem Regisseur, dieser blickt mitleidlos aus den auf der Bühne verteilten Bildschirmen herab im TAG. Gernot Plass hat diese packende, teils böse, teils amüsante Performance nicht nur geschrieben, sondern auch inszeniert - und er spielt Gott und Satan. Die Technik illustriert die widersprüchlichen Stimmen des Ich.

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