BVT eingeschaltet

Drohungen gegen Ministerin Raab wegen Islam-Landkarte

Die Integrationsministerin bei der Präsentation der Kampagne. Über die sozialen Medien bekam sie daraufhin Drohungen.
Die Integrationsministerin bei der Präsentation der Kampagne. Über die sozialen Medien bekam sie daraufhin Drohungen.APA/GEORG HOCHMUTH
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurde informiert. Die Integrationsministerin verteidigt die Islamkarte, während der Europarats-Beauftragter Höltgen sie als „muslimfeindlich und potenziell kontraproduktiv“ bezeichnet.

Nach der Präsentation der Islam-Landkarte durch die Dokumentationsstelle politischer Islam ist nun auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) in sozialen Medien bedroht worden. Laut einem Sprecher der Ministerin wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) informiert. Die Ermittlungen der Polizei liefen auf allerhöchster Stufe, hieß es. Raab hält indes weiterhin am Projekt fest.

Es sei nie lustig, wenn man bedroht werde, schon gar nicht hochschwanger, meinte die Integrationsministerin bei einer Pressekonferenz am Montagvormittag. Daran gewöhne man sich nie. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ärgerte sich, dass solche Drohungen fast schon normal seien. Hier brauche es einen gesellschaftlichen Diskurs, um wieder zu einem vernünftigen Umgang auch bei kontroversiellen Themen zu kommen.

Ziel: „Transparenz schaffen"

Die Islam-Landkarte halten die Minister auch für eine Art Service für die Muslime im Land. So könnten diese sehen, wo es extreme Einrichtungen gebe - beziehungsweise wo solche ihren Ursprung haben.

Die Kritik an der Karte - vielfach war jüngst von einem „massiven Sicherheitsrisiko“ für muslimische Bürger die Rede - kann die Integrationsministerin nicht nachvollziehen. Es gehe darum, Transparenz zu schaffen. Man wolle aufklären, wo welche Inhalte verbreitet würden und die Trennlinie zwischen dem Islam als Religion und dem politischen Islam ziehen.

Zur Kritik von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), wonach die Landkarte „absolut nichts zur Integration“ beitrage, sondern „eine gesellschaftliche Spaltung" befördere, meinte Raab, wenn man wie in der Bundeshauptstadt Integrationsprobleme verstecke, sei man am Holzweg. Die Augen vor der Realität zu schließen, lehne sie ab. Ein Sicherheitsrisiko für die muslimischen Einrichtungen durch die Landkarte sieht sie nicht, es handle sich bei den Adressen um öffentlich zugängliche Daten aus dem Vereinsregister.

Kritik reißt nicht ab

Die sogenannte Islam-Landkarte, die alle über 600 islamische Organisationen in Österreich erfasst und näher beleuchtet, sorgt seit ihrer Vorstellung für Wirbel. Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) etwa will dagegen klagen, weil sie in der Veröffentlichung der Vereine eine "Grenzüberschreitung" ortet. Die Uni Wien untersagte die Verwendung ihres Logos.

Die daran beteiligten Wissenschafter Mouhanad Khorchide und der Projektleiter und Professor für islamische Religionspädagogik Ednan Aslan seien bereits nach der Präsentation bedroht worden. Letzterer steht nach eigenen Angaben mittlerweile unter Polizeischutz.

Kritik an der Islam-Landkarte kam am Montag abermals von der Evangelischen Kirche. Der Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich (Evangelische Kirche H.B.), Thomas Hennefeld empfahl wie bereits der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka zuvor der Integrationsministerin, die Liste schnell wieder vom Netz zu nehmen.

Europarats-Beauftragter empfiehlt Zurückziehen

Scharfe Kritik übte am Montag auch Europarats-Beauftragter Daniel Höltgen. Deren Veröffentlichung sei muslimfeindlich und potenziell kontraproduktiv. Viele Muslime fühlten sich stigmatisiert und durch die Veröffentlichung von Adressen und anderer Details in der Sicherheit bedroht. "Die Islam-Landkarte sollte daher in ihrer gegenwärtigen Form zurückgezogen werden", empfahl Höltgen in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Veröffentlichung der Islam-Landkarte Österreichs wirke aufgrund von Form und Zeitpunkt auf viele muslimische Gläubige als Generalverdacht gegenüber dem Islam; die Landkarte könne somit antimuslimische Ressentiments bedienen, konstatierte der Sonderbeauftragte des Europarats für antisemitische, muslimfeindliche und andere Formen von antireligiöser Intoleranz und Hassverbrechen.

Die Bekämpfung des Extremismus und gefährlicher Ideologien gehöre heute zu den wichtigsten Aufhaben der inneren Sicherheit. Es sei daher nur konsequent, gegen die Verbreitung gefährlicher Narrative unter dem Deckmantel des Grundrechts der freien Religionsausübung vorzugehen. "Leider schießt die Islam-Landkarte Österreichs über das Ziel hinaus und ist daher potenziell kontraproduktiv", so Höltgen.

(APA/Red.)

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