Foodfotografen: Fleisch im Bild

Garpunkt halbroh, Aquariumpumpen für den perfekten Bierschaum oder Arbeitsplatz Tiefkühler: die Tricks der Foodfotografen.

Das mit dem Reis, das hat einfach nicht geklappt. War auch vorhersehbar. Es ist schlicht unmöglich, rohe Reiskörner so aufzuschütten, dass sie einen schmalen, zuckerhutförmigen Kegel bilden. Aber weil der Kunde gar so hartnäckig war und vorher extra einen realistischen Haufen Reis mit seinem Fotobearbeitungsprogramm in die Höhe gezogen und gesagt hat, genau so wolle er das für die Werbung haben und nicht anders, haben Luzia Ellert und Gabriele Halper es halt ausprobiert. Mit Styroporkegel und allem Möglichen. Hat nicht funktioniert, also haben sie es gelassen. „Manche sind wirklich mühsam. Wollen Früchte, die es nicht gibt, oder Blüten im Winter. Dann bestellen wir die Kirschen aus was weiß ich wo, und dann wird gejammert, dass die zu kurze Stiele haben.“ Manches ist für Foodfotografen (dieser englisch-deutsche Mischbegriff hat sich durchgesetzt) aber einfach nicht machbar. Zumindest nicht mit lauteren Mitteln.

Die Kochbuchflut, die zahlreichen Foodblogger und das derzeit generell riesige Interesse an Essen bringen mit sich, dass auch Fotos, auf denen Speisen oder Lebensmittel zu sehen sind, allgegenwärtig sind. Zur Zeit läuft das Internationale Foodphoto Festival in Tarragona, Spanien, auf dem Fotografen ausstellen, Kochbuchverlage vertreten sind und Workshops angeboten werden, etwa „How to make a cookbook“ oder „Foodstyling-Basics“.
Auf diesem Festival kann man sicher sein, nur hochprofessionelle Fotos anzutreffen. Denn die Unzahl an dilettantisch geknipsten Fotos von Essen sei derzeit eines der großen Probleme ihrer Zunft, sagt Luzia Ellert, und man dürfe längst nicht alle Fotos, auf denen Essen zu sehen ist, auch Foodfotografie nennen. „Schlimm sind die vielen Redakteure, die einfach selber fotografieren.“ Dabei bedenken sie aber nicht, dass die Speisen, die für Fotos gekocht werden, oft ein bisschen anders zubereitet werden müssen als solche, die für den Verzehr gedacht sind. Heißt: Ellert und Foodstylistin Halper können zwar einige ihrer Motive sofort nach dem Fotografieren verspeisen, aber nicht alle.

Anders gekocht

An appetitlich aussehenden Eiskugeln etwa würde man sich die Zähne ausbeißen. Für einen Becher werden nämlich die Kugeln einzeln tagelang eingefroren, bis sie steinhart sind, dann arrangiert man die Kugeln direkt im Tiefkühler in einem frostschutzbehandelten Becher – Gabriele Halper demonstriert anschaulich mit abgewürgter Stimme, wie sie sich dafür vornüber in die Truhe hängen muss – und dann ist ganz schnell die Kamera dran. Das Eis aber ist steinhart, auch wenn es auf dem Foto cremig-streichbar aussieht. Weniger Gewissenhafte können auch folgenden Tipp eines Bloggers beherzigen: künstliches Eis.

„Puderzucker und ein Stück Margarine und etwas Pflanzenöl knete ich zu einem großen Ballen, bis er die richtige Koexistenz (sic) hat. Dann ist das Eis schon fertig. Vanilleeis!“ Danke. Wer einen Namen zu verteidigen hat, steigt auf solche Ratschläge aber besser nicht ein, sondern bereitet echtes Essen zu. Wenngleich eben ein wenig anders, wie auch Fotograf Thomas Apolt erklärt: „Die meisten Speisen für ein Foto sind ungesalzen, weil Salz die Farbe wegnehmen würde. Wenn der Leser das Ganze dann nachkocht und sehr wohl salzt, ist er enttäuscht, weil die Farbe anders ist. Da wird also viel verfälscht.“ Man sieht übrigens, ob hochwertiges Fleisch für ein Foto verwendet wurde oder solches aus Massenaufzucht. Luzia Ellert, die früher Mode abgelichtet hat, zieht den Vergleich zu Stoffen: „Teure Stoffe legst hin und die fallen einfach perfekt.“ Was das Fleisch betrifft, seien Spitzenköche bei Kochbuchproduktionen besonders zickig, hat sie die Erfahrung gemacht. „Die garen alles auf die Sekunde genau so, wie sie es im Restaurant servieren würden, aber das ist fürs Foto halt zu viel. Da muss der Braten früher raus, damit er später gut aussieht und nicht ,hinüber.‘“ Abgesehen davon, dass es immer unterschiedliche Auffassungen darüber gebe, wie rosa Schweinefleisch sein darf . . .

Nachhilfe

TIPP

Man muss als Foodfotograf auf jeden Fall schnell sein. Fleisch gart nach und sieht nach kurzer Zeit schon anders aus, die Oberfläche von Früchten trocknet, Saucen bilden eine Haut, etc. Natürlich gibt es Tricks, um mehr zeitlichen Spielraum beim Abdrücken zu haben: etwa mehr Gelatine für eine Mousse oder ein Gelee verwenden als für die zum Essen gedachte Version. Oder mit Öl oder Wasser und Pinsel dem Glanz nachhelfen. Maurizio Maier hat für das Marillen-Eier-Foto (oben) zuerst die Marillen angeordnet und die Kamera eingestellt und dann ganz schnell die Eier dazwischen aufgeschlagen. „Nach ein paar Sekunden schon schaut die Oberfläche ganz anders aus, das Eiweiß rinnt auseinander.“ So ein Foto könne man nur spontan machen und eine gewisse Schwankungsbreite in Sachen Anordnung in Kauf nehmen. Die Eier könne man natürlich nicht mehr verschieben.

Viele Foodfotografen arbeiten fix mit Köchen, Konzernen und Verlagen zusammen, Apolt etwa mit Meinrad Neunkirchner, Stefan Liewehr beliefert die Kochzeitschrift „Gusto“, Luzia Ellert macht viel mit Johanna Maier (und mit deutschen Köchen, „die sind weniger schludrig als die Österreicher und haben noch so etwas wie Zeitmoral – typisch deutsch halt“, sagt sie und lacht). Für das erste Kochbuch der Vierhaubenköchin hat sie für die Foto-Hintergründe weißes Leinen mit Tee oder Roten Rüben eingefärbt, um Johanna Maier mit ihrem berühmten weißen Dirndl und ihrer Naturverbundenheit gerecht zu werden. Das sind Dinge, die man als unwissender Betrachter nicht unbedingt erkennt, „aber sie vermitteln“, meint Ellert, „schlussendlich doch eine gewisse Energie“.

Während die meisten Foodfotografen sowohl einzelne Lebensmittel als auch ganze Gerichte oder Menüs fotografieren, haben sich manche ausschließlich auf besonders knifflige Dinge spezialisiert. Zum Beispiel auf Bier. Die Anforderungen sind zwar klar – goldene Farbe,
hoher Schaum, schöne Perlen – das Fotografieren wird allerdings dadurch nicht leichter. Laut Foodstylistin Halper ist das Fotografieren von Bier eine Männerdomäne: „Die basteln sich Mordsgeräte, gehen mit Aquariumpumpen auf den Schaum los.“ Und präparieren das Glas außen mit Glyzerin und Krylon. Also eh alles ganz einfach.

Essen zum Anschauen Foodphoto Festival in Tarragona, bis 17. Oktober. www.foodphotofestival.org

Fotografen
Thomas Apolt thomas@apolt.at Luzia Ellert www.ellert-fotografie.at Stefanie Golser www.speisefotografie.at Ulrike Köb www.koeb.at Stefan Liewehr www.stefanfotografiert.com Maurizio Maier www.mauriziomaier.com

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