Wie Pilnacek um Wiedereinzug ins Justizministerium kämpft

Trat im BVwG als Beschwerdeführer auf: Sektionschef Christian Pilnacek.
Trat im BVwG als Beschwerdeführer auf: Sektionschef Christian Pilnacek.Die Presse/Clemens Fabry
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Es gebe keine Beweise gegen ihn, erklärte der vorläufig suspendierte Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Mit schwarzer FFP2-Maske und in Begleitung seiner Rechtsvertreter erschien der vorläufig suspendierte Chef der Strafrechts-Sektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, Dienstagmittag vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Die Anspannung war dem prominenten Legisten anzumerken. Kein Wunder. Die Verhandlung soll eine für ihn eminent wichtige Frage lösen: Besteht die vom Justizressort ausgesprochene vorläufige Suspendierung zu Recht. Oder kann er schon bald wieder an seinen angestammten Arbeitsplatz zurückkehren?

In einem Saal, der auch ohne Corona eher an ein Krankenzimmer, als an einen Verhandlungssaal erinnert, ging das Gerichtsstück über die Bühne. Nur gezählten vier Medienleuten war es wegen der Pandemie bzw. der Raumgröße gestattet, in dem von Plexiglas-Raumteilern durchsetzten Saal Platz zu nehmen.

Alsdann bekam es Richter Mario Dragoni mit Teilen jener Chats zu tun, die derzeit auf mehreren Ebenen als Munition der Staatsanwaltschaften dienen. Es ging um eine Korrespondenz zwischen dem früheren Justizminister Wolfgang Brandstetter und dem Unternehmer Michael Tojner, der wegen eines Wohnbaugesellschafts-Projekts im Burgenland ins Visier der Korruptionsstaatsanwaltschaft gekommen war (es gilt die Unschuldsvermutung). Brandstetter fungierte dabei als Rechtsberater von Tojner.

Das sichergestellte (virtuelle) Gespräch der beiden weckte bei der Staatsanwaltschaft Wien den Verdacht, Pilnacek habe eine brisante Botschaft von der Oberstaatsanwaltschaft Wien erhalten und diese Brandstetter verraten. Nämlich den Umstand, dass bei Tojner eine Hausdurchsuchung bevorstehe.

Gegen Pilnacek wurden Ermittlungen eingeleitet. Anfangs wegen des Verdachts des Geheimnisverrats, dann schwenkte die Verfolgungsbehörde auf Amtsmissbrauch um. Sowohl dem Sektionschef als auch dem Ex-Justizminister wurden Handys bzw. Computer abgenommen. Beide wiesen von Anfang an alle Vorwürfe zurück.

Zwei gegenläufige Beschwerden

Dennoch sah der damalige interimistische Justizminister Werner Kogler Handlungsbedarf. Er verkündete die von der Disziplinar-Stelle verhängte vorläufige Suspendierung – damit war Pilnacek, bissig ausgedrückt, (vorläufig) kaltgestellt. Dieser Zustand hielt allerdings nicht lange. Doch eine echte Wende gab es auch wieder nicht: Die Bundesdisziplinarbehörde sprach Ende März per Bescheid aus, dass Pilnacek gar nicht suspendiert gehöre. Dagegen wiederum beschwerte sich das Justizministerium.

An dieser Stelle kommt das BVwG ins Spiel. Es muss über zwei Beschwerden entscheiden. Über jene des Ministeriums. Und über jene von Pilnacek, der gegen den Ende Februar ergangenen Bescheid auf vorläufige Suspendierung ankämpft. Dieses nicht ganz unkomplizierte Setting brachte am Dienstag aber auch Vorteile. Erstmals äußerte sich Pilnacek öffentlich (sofern man angesichts der wenigen „Kiebitze“ von Öffentlichkeit sprechen kann) zu den Vorwürfen, die derzeit übrigens von der Staatsanwaltschaft Innsbruck geprüft werden (der Transfer erfolgte, weil Innsbruck damals bereits einen anderen, nämlich einen Falschaussage-Verdacht, gegen Pilnacek prüfte).

„Man hätte mir Parteiengehör einräumen können, damit ich die gegen mich erhobenen Vorwürfe entkräften kann“, sagte nun Pilnacek. Seiner vorläufigen Suspendierung lag ein Bericht der Anklagebehörde bzw. eine Sicherstellungsanordnung zugrunde. Man verzichtete aber darauf, den Betroffenen anzuhören.

Auch der Richter schloss sich nun diesem Argument an: Hätte Pilnacek die Möglichkeit gehabt, sich zu äußern, so hätte er den Verdacht, er wäre als Sektionschef über das Tojner-Verfahren informiert gewesen, entkräften können.

Wie sich aus einem Mail der damals in der Oberstaatsanwaltschaft zuständigen Referentin ergibt, hat diese eine Verständigung der Ankläger in Sachen Hausdurchsuchung erst mit Verspätung gelesen. Somit konnte sie die brisante Information über die Razzia nicht an ihren Vorgesetzten Johann Fuchs weitergeben, dieser nicht an Pilnacek, dieser nicht an Brandstetter und dieser nicht an Tojner. Und doch wusste Tojner, dass die Ermittler ihm einen „Besuch“ abstatten würden. Allerdings offensichtlich aus anderer Quelle.

Pilnacek: „Also kann ich nicht der Überbringer gewesen sein.“ Und: „Es gibt kein einziges Beweismittel, dass den Verdacht gegen mich darlegt. Die Staatsanwaltschaft stützt sich lediglich auf Chatverläufe , in denen ich erwähnt werde.“

Ein unverfänglicher Rat an Blümel?

Nachträglich wurden andere Sachverhalte der Disziplinaranzeige hinzugefügt. Wieder geht es um Chats. Wieder erwies sich das sichergestellte Handy des Sektionschefs als Fundgrube. Fand sich doch dort der an den Kabinettschef im Finanzministerium, Clemens-Wolfgang Niedrist, gerichtete Satz „Das ist ein Putsch!!“.

Grund der Empörung war die Sicherstellungsanordnung, mit der Ermittler im Februar bei Finanzminister Gernot Blümel aufgetaucht waren. Pilnacek riet damals, Blümel möge Beschwerde gegen diesen Ermittlungsschritt einbringen.

Deshalb wird gegen den Sektionschef aber nicht ermittelt. Und es sei auch disziplinarrechtlich irrelevant, sagt ebendieser: „Der Ratschlag das zu tun, ist völlig unverfänglich.“

Indessen finden sich laut Austria Presse Agentur in den Chats aber Äußerungen, aus denen die mehr als kritische Haltung des Sektionschefs gegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft, WKStA, hervorgeht. So nennt er diese etwa in einem Chat „missraten“. 

Das Erkenntnis des BVwG über die Beschwerden wurde nicht verkündet. Es soll nächste Woche schriftlich ergehen.

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