Unbekannte aus der rechtsextremen Szene hatten in Wien selbst gebastelte Schilder angebracht, um vor islamischen Einrichtungen zu „warnen“.
Die so genannte Islam-Landkarte ist aktuell nur eingeschränkt verfügbar. Projekt-Betreiber Ednan Aslan begründet dies mit einem Wechsel des IT-Betreibers. Dies bedeutet, dass vermutlich bis kommende Woche die Suchfunktion nicht genützt werden kann. Möglicherweise wird man künftig die Seite nur nutzen können, wenn man sich vorher angemeldet hat.
Eine entsprechende Ankündigung hatte Mouhanad Khorchide, Leiter des Beirats der Dokumentationsstelle politischer Islam, im "Falter-Podcast" gemacht, was Aslan Donnerstagvormittag zunächst im Gespräch mit der APA dementierte. In einer neuen, diesmal schriftlichen Stellungnahme zu Mittag erklärte er, es gebe Überlegungen in Richtung eines Anmeldesystems: "Klar ist aber, dass die volle Transparenz und der Zugang zu den Informationen nicht eingeschränkt werden darf." Es werde nun auch Uni-intern diskutiert, was hier die beste Lösung sei.
"Warnschilder" in der Nähe von islamischen Einrichtungen hatten am Mittwoch für Aufsehen gesorgt. Diese trugen die Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe." und verwiesen auf die Landkarte. Die Schilder sollen in der Nähe von mehreren Moscheen und Islamischen Vereinen in Wien platziert worden sein. Bei den Urhebern dürfte es sich um Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen Identitären Bewegung handeln. Dies wurde am Mittwochnachmittag auch vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands bestätigt. Die Aktion wurde auf einschlägigen Blogs und Telegram-Gruppen verbreitet, wo zudem zu Nachahmungsaktionen aufgerufen wurde. Auch eine Art Bekennerschreiben fand sich auf einem rechtsextremen Blog.
Die Grüne Migrationssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic twitterte am Mittwoch ein Foto eines Schildes in Meidling und gab sich „entsetzt“. Der Wiener SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, der das Bild offenbar schoss, bedankte sich bei der Integrationsministerin „für Stigmatisierung und Hetze“.
IGGÖ fordert Ende von Karte
Die Kritik gegen die Veröffentlichung der Islamlandkarte ist mannigfaltig und reißt nicht ab. Nach Bekanntwerden der Warnschilder wiederholte Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) die Forderung, „diesem unwürdigen Kapitel der Islampolitik“ ein Ende zu setzen und die Islamlandkarte offline zu nehmen. Bereits in den vergangenen Tagen sei ein Anstieg islamfeindlicher Attacken auf Privatpersonen bemerkbar gewesen. Die Schilder seien als direkte Angriffe auf islamische Gotteshäuser zu werten. „Muslimische Einrichtungen befinden sich aufgrund der pauschalen Verurteilung und dem Schüren von Misstrauen in akuter Gefahr“, sagte Vural in einer Aussendung. Man habe Kontakt mit den Sicherheitsbehörden aufgenommen und um Schutz der Einrichtungen angesucht.
Schilder nun beim Verfassungsschutz
Wie die Landespolizeidirektion erklärte, wurden die Schilder am Mittwoch entfernt, teils physisch sichergestellt und dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) übergeben, das die Ermittlungen übernahm.
Integrationsministerin Raab verurteilte die Aktion: „Dass der legitime Kampf gegen den politischen Islam von extremistischen Gruppierungen missbraucht wird, ist völlig inakzeptabel und klar zu verurteilen." Weder lasse man zu, dass rechtsextreme Gruppierungen den Kampf gegen den Islamismus missbrauchen, noch werde man sich durch Drohungen von islamistischer Seite „von unserem Weg abbringen“ lassen. „Wir müssen als Gesellschaft weiterhin gegen den Extremismus von allen Seiten konsequent vorgehen.“
Unterstützung kam auch von Raabs Wiener Parteikollegen, VP-Klubchef Markus Wölbitsch. Er versicherte, dass das Ziel der Landkarte die "Transparenz und Sichtbarmachung von islamischen Netzwerken und Vereinskonstruktionen" sei und forderte, alle Förderungen der Stadt anhand der Landkarte zu durchleuchten.
Ludwig kritisiert Schilder und „politisches Vorfeld"
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) übte am Mittwoch ebenfalls harsche Kritik an den Schildern: "Ich verurteilte auf schärfste Aktionen dieser rechtsextremen Kreise, die sich zum Ziel setzen, Menschen zu stigmatisieren", sagte er in einer Pressekonferenz. Was er mindestens so ernste nehme, sei jedoch das, was im "politischen Vorfeld" geschehen sei. Er habe gewarnt, dass keine Schritte gesetzt werden sollten, die Personengruppen in einer Großstadt wie Wien auseinanderdividieren würden. Er lehne jedoch auch Drohungen gegen politisch Verantwortliche ab, fügte er hinzu.
Die Islamlandkarte, die alle über 600 islamische Organisationen in Österreich erfasst und näher beleuchtet, sorgt schon seit ihrer Vorstellung für Wirbel. Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) hatte zuvor angekündigt, gegen die Karte zu klagen. Der Rektor der Uni Wien, an der die Forschungsstelle angesiedelt ist, distanzierte sich von dem Projekt. Ministerin Raab selbst ist seit der Veröffentlichung mit Drohungen konfrontiert. Am Montag bezeichnete der Europaratsbeauftragte Daniel Höltgen die Landkarte als „muslimfeindlich und potenziell kontraproduktiv“ und empfahl sie zurückzuziehen.
(twi)