Die EU-Kommission kritisiert "unkoordinierte und pauschale" Reisebeschränkungen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Ein Baustein soll auch ein verstärkter Schutz der EU-Außengrenzen sein, samt schnellerer Überprüfung von Flüchtlingen.
Nach den Grenzschließungen während der Corona-Pandemie und der Flüchtlingskrise will die EU-Kommission das Schengen-System für Reisefreiheit in Europa reformieren. Die Mitgliedstaaten hätten in den vergangenen Jahren auf Krisen mit "unkoordinierten und pauschalen" Grenzschließungen und Reisebeschränkungen reagiert, sagte Vize-Kommissionspräsident Margaritis Schinas am Mittwoch.
Brüssel wolle deshalb "Alternativen" wie eine stärkere Polizeizusammenarbeit anbieten und die Mitgliedstaaten zu einer stärkeren politischen Abstimmung bringen. Den NEOS gehen die Reformpläne nicht weit genug.
Das Schengener Abkommen garantiert seit 1995 Reisefreiheit in Europa. Grenzkontrollen finden grundsätzlich nur an den Außengrenzen des Schengenraums aus 26 Staaten statt. Neben den Bürgern profitiert auch die Wirtschaft: Güter können schneller und besser planbar zu Abnehmern gebracht werden, was auch die Kosten senkt. Neben 22 EU-Ländern einschließlich Österreichs gehören dem Schengenraum auch Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein an.
Jedes Land reagiert anders
Wie schon in der Flüchtlingskrise hatte es in der Corona-Krise einen regelrechten Fleckerlteppich unabgestimmter Reisebeschränkungen in der EU gegeben. Sie hätten gezeigt, dass "eine der größten Errungenschaften der EU (...) nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Allerdings sind Grenzkontrollen nationale Angelegenheit. Die Kommission kann hier in der Regel nur eine bessere Abstimmung anmahnen. Daran dürfte sich auch durch die geplanten Reformen grundlegend nichts ändern.
Die Behörde will nun einerseits die Kontrollen an den Außengrenzen weiter vorantreiben, um die Reisefreiheit im Schengenraum zu schützen. Bereits beschlossen ist, dass bis 2027 die Zahl der Beamten der Grenzschutzbehörde Frontex auf 10.000 Beamte erhöht werden soll. Wie Brüssel nun ankündigte, sollen bis 2023 auch die unterschiedlichen Computersysteme zur Grenz- und Migrationskontrolle vereinheitlicht werden.
Schnellere Asylentscheidungen an EU-Außengrenze
Die Kommission rief Mitgliedstaaten und Europaparlament außerdem auf, sich schnell auf ihre Vorschläge zur Überprüfung von Flüchtlingen an den Außengrenzen zu einigen. Sie sind Teil der EU-Asylreform, die insgesamt schon seit Jahren wegen tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Regierungen nicht vorankommt.
Mit Blick auf das innere Management des Schengenraums will Brüssel einen neuen Kodex für die Polizeizusammenarbeit in der EU vorschlagen. Zudem soll der Prümer Vertrag aktualisiert werden, um den Austausch von Informationen über DNA, Fingerabdrücke und Fahrzeugkennzeichen zu erleichtern. Außerdem will die EU-Kommission eine Vorabinformation über Passagiere auch auf Flügen innerhalb des Schengenraums einführen.
„Notfallplan“ soll für künftige Krisen erstellt werden
Für den Herbst kündigte die Kommission zudem einen Vorschlag für die Überarbeitung des Schengener Grenzkodex an. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson wollte hierzu aber noch keine Details nennen. Geplant ist zudem ein "Notfallplan" für künftige Krisen, der etwa die Nutzung der in der Corona-Krise eingeführten "grünen" Fahrspuren für Lkw an den Grenzen vorsieht, um zumindest einen reibungslosen Lieferverkehr zu garantieren.
Zurückhaltend auf die Vorschläge reagierte Neos-Europasprecherin und Europaabgeordnete Claudia Gamon. Grundsätzlich gingen die Ideen in die richtige Richtung, doch nicht weit genug. Gamon appellierte für "echte Konsequenzen für Grenzschließungen" sowie auch eine Neugestaltung und Absicherung der Reisefreiheit im Zuge der Konferenz zur Zukunft Europas. "Die Regeln für etwaige Grenzschließungen müssen nachgeschärft werden und Verstöße dagegen Konsequenzen haben", sagte Gamon in einer Aussendung. "Die Kommission muss streng über diese Regeln wachen und diese auch über einen eindeutigen Rechtsweg absichern können."
(APA/AFP)