Justiz

Wolfgang Brandstetter verlässt den VfGH

APA/BARBARA GINDL
  • Drucken

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstätter zieht sich in Folge der Chat-Affäre um den suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek als Verfassungsrichter zurück.

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) verlässt den VfGH. Das teilte er am Donnerstag zunächst der "Kronen Zeitung" und später via Aussendung mit. Davor war der scheidende Verfassungsrichter wegen publik gewordener Chats mit dem suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek unter Druck geraten. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter hatte Brandstetter am Donnerstag zu einer Aussprache gebeten, die noch diese Woche stattfinden sollte.

In einer schriftlichen Stellungnahme, die über seinen Anwalt Georg Krakow verbreitet wurde, erklärte Brandstetter nun: "Tatsache ist, dass faktisch eine Situation eingetreten ist, in der ich dem VfGH am besten dienen kann, indem ich mich von meiner Funktion zurückziehe." Er werde daher den Gerichtshof nach Fertigstellung laufender Akten mit Wirkung vom 1. Juli verlassen und habe das dem Präsidenten bereits mitgeteilt. Grabenwarter nahm den Rückzug in einer schriftlichen Stellungnahme "zur Kenntnis". Der plangemäße Ablauf der nächsten Beratungen des Gerichtshofes, die am 7. Juni beginnen, sei dadurch nicht beeinträchtigt.

„Mit Gift und Galle“ angepatzt

Brandstetter übt aber auch Kritik an der Veröffentlichung der Unterhaltungen zwischen ihm und Pilnacek: "Es tut dem Land nicht gut, wenn öffentlich mit Gift und Galle Menschen in öffentlichen Funktionen angegriffen und angepatzt werden. Ein privates Gespräch unter Freunden und öffentliche Äußerungen sind gänzlich verschiedene Dinge." Bereut wird der Chat vom scheidenden Richter nicht: "Wenn Pilnacek Frust abgelassen hat, wollte ich ihm als Freund nicht gleich mit dem Stellwagen ins Gesicht fahren." Es werfe der den ersten Stein, der noch nie in einer privaten Unterhaltung "eine spaßhafte oder nicht ganz korrekte Bemerkung" gemacht habe, meinte Brandstetter im "Kurier".

Wie aus den Protokollen, die dem U-Ausschuss übermittelt wurden und prompt den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben, hervorgeht, hat sich Brandstetter, der dem VfGH seit Februar 2018 angehörte, mit Pilnacek auch über Entscheide des Höchstgerichts ausgetauscht, konkret z.B. zum Thema Sterbehilfe. Zudem waren in den Unterhaltungen seitens Pilnaceks abwertende Aussagen über Verfassungsrichterinnen gefallen und der Sektionschef hatte davon gesprochen, dass man den VfGH nach Kuba exportieren könnte.

Brandstetter stand als Verfassungsrichter schon länger in der Kritik, weil gegen ihn wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt wird. Zuletzt ließ er sich krankheitsbedingt am Höchstgericht vertreten, einen Rückzug lehnte er ab. Auch am Donnerstag betonte er seine Unschuld. Klar sei, dass alle nunmehr öffentlich gemachten privaten Unterhaltungen keinerlei belastende Indizien in dem Verfahren enthielten - "im Gegenteil, es wird klar, dass der formulierte Tatverdacht sich entkräftet hat".

SPÖ-Klubchef Leichtfried zufrieden

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried zeigte sich in einer Stellungnahme zufrieden, dass Brandstetter das Höchstgericht verlässt. Dieser sei wohl seinem Ausschluss aus dem VfGH zuvorgekommen und habe die notwendigen Konsequenzen gezogen. Die SPÖ habe Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schon damals massiv kritisiert, als er den Ex-Justizminister und Kurzzeit-Vizekanzler zum Richter gemacht habe. Brandstetter sei der erste aus der türkisen Familie, der zurücktreten müsse, weitere wie ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) müssten folgen.

Ganz ähnlich die Reaktion vom freiheitlichen Fraktionschef im U-Ausschuss Christian Hafenecker in einer Aussendung. Höchst überfällig sei Brandstetters Rücktritt. Die "Wehleidigkeit", die er in seiner Begründung dafür zelebriere, sei höchst bezeichnend für den Umgang der ÖVP mit Demokratie und Rechtsstaat.

Die Volkspartei wiederum richtete Brandstetter über ihren Generalsekretär Axel Melchior Dank für seine Leistungen in unterschiedlichsten Funktionen aus. Seinen Rückzug nannte Melchior eine persönliche Entscheidung. Er wünsche Brandstetter für seine Zukunft alles Gute.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP)
Chatprotokolle

Brandstetter zieht sich doch "mit sofortiger Wirkung" zurück

Ursprünglich hatte der nach veröffentlichten Chats unter Druck geratene Ex-Justizminister seinen Rückzug als Verfassungsrichter für den 1. Juli angekündigt.
Hermann Schützenhöfer (ÖVP)
Rechtsstaat

Angriffe auf Justiz: Schützenhöfer ruft ÖVP zur Mäßigung auf

Der steirische Landeshauptmann nimmt Kanzler Kurz in Schutz - „manche aus seinem Umfeld“ kritisiert er allerdings. Die Chats zwischen Pilnacek und Brandstetter seien „grauslich“, deren Veröffentlichung aber auch.
Der frühere Justizminister Wolfgang Brandstetter ist als Verfassungsrichter zurückgetreten - aus Sicht eines Juristen "die richtige Entscheidung", so der Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff.
"Niveaulos"

Rechtsanwälte-Präsident erwartet gerichtliches Nachspiel für Brandstetter

Die Staatsanwaltschaft könnte laut Rupert Wolff wegen des Verdachts der Amtsgeheimnis-Verletzung ermitteln. Auch ein Vorgehen gegen Pilnacek hält der Präsident der Rechtsanwaltskammer für möglich.
Christian Pilnacek will nicht nur nach seinen "unverzeihlichen" Chats beurteilt werden, die in "völligem Widerspruch" zu seiner Persönlichkeit stünden.
Chat-Affäre

Pilnacek entschuldigt sich: Äußerungen in Chats "unverzeihbar"

Seine Nachrichten im Chat mit Verfassungsrichter Brandstetter seien "nicht zu rechtfertigen und völlig unangemessen“, schreibt Pilnacek, der allerdings auch Kritik am Justizministerium übt.
Wolfgang Brandstetter will sein Amt als Verfassungsrichter bis zum 1. Juli zurücklegen.
Rückzug

Biedermann und der Brandstetter

Schon als Minister hatte Wolfgang Brandstetter zwei Gesichter. Eine Personalaffäre aus dieser Zeit könnte ihn nach den Chats und der Causa Tojner auch noch einholen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.