Causa Pilnacek

Ministerin zu Chats: „Das schadet der Justiz“

Alma Zadić äußerte sich in Videobotschaft.
Alma Zadić äußerte sich in Videobotschaft. imago images/SEPA.Media
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Justizministerin Alma Zadic (Grüne) rügt den suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek indirekt. Der Opposition ist das zu wenig.

Wien. Die publik gewordenen Chats zwischen dem suspendierten Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek und dem zurückgetretenen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter sorgten am Feiertag gleich auf mehreren Ebenen für Wirbel – in der Regierung, in der Opposition, in der Justiz und am Verfassungsgerichtshof.

Die Protokolle, die dem U-Ausschuss übermittelt wurden und nun den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben, zeigen Pilnaceks Abneigung gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Spott für den Verfassungsgerichtshof und offenbar den Versuch von politischen Interventionen. Laut Berichten in ORF, „Falter“, „Standard“ und „Profil“ umfasst das Auswertungsprotokoll der Staatsanwaltschaft Innsbruck fast 150 Seiten.

Berichtet wurde vor allem über Nachrichten zwischen Pilnacek und Ex-Justizminister und Verfassungsrichter Brandstetter. Die beiden tauschten sich unter anderem über Entscheide des Höchstgerichts aus. In den Unterhaltungen schreibt der einst mächtige Beamte etwa von einem „vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat“, spricht davon, den Verfassungsgerichtshof nach Kuba exportieren zu wollen, und scherzt darüber, dass einzelne weibliche Richterinnen des VfGH „eine gute Müllfrau“ abgeben würden. In anderen Chatverläufen spricht Pilnacek außerdem von der „missratenen“ WKStA.

Opposition: „Schockierendes Bild“

Das ließ die grüne Justizministerin Alma Zadic (Grüne) nicht unkommentiert. Am Mittwoch forderte sie in einem Video Respekt vor rechtsstaatlichen Institutionen ein und meinte in Richtung Pilnacek, ohne diesen namentlich zu nennen, dass sie sich von Spitzenbeamten der Justiz erwarte, „dass sie allen Institutionen des Rechtsstaats und insbesondere dem Verfassungsgerichtshof den gebührenden und gebotenen Respekt“ entgegenbringen.

Sie ging quasi direkt auf die Inhalte der Chat-Nachrichten ein und sagte: „Wer rassistische und frauenfeindliche Äußerungen tätigt, wer Menschen herabwürdigt, aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe, der schadet der Justiz und schadet auch dem Vertrauen, das die Menschen in die Justiz haben.“ Zadic betonte einmal mehr: „Einschüchterungsversuche und Angriffe auf die Justiz werde ich nicht zulassen.“

Der Opposition ist das offenbar zu wenig. Es reiche nicht, „die Korruptionsermittler in schönen Sonntagsreden zu verteidigen“, so der Justizsprecher der Neos, Johannes Margreiter. Zadic müsse tätig werden und der WKStA mehr Ressourcen zur Verfügung stellen und für eine unabhängige Weisungsspitze sorgen. „Die Justiz muss aus dem Würgegriff der ÖVP befreit werden.“ Nicht ganz unähnlich klang die Reaktion von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sprach von einem „schockierenden Bild“, das die Nachrichten des ÖVP-nahen Spitzenbeamten lieferten. Sie reihten sich ein in „ein Bild des Drucks und der Einschüchterung der Justiz“ durch die ÖVP. Eine Neuaufrollung aller Verfahren, an denen Pilnacek und sein Chatpartner beteiligt waren, fordert der freiheitliche Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker.

Brandstetter tritt ab

Reagiert hat auf die Entwicklungen auch die Justiz selbst. Sabine Matejka, die Chefin der Richtervereinigung, zeigte sich in der „ZiB2“ „sehr schockiert“. Die Aussagen böten „kein sehr gutes Bild“. Auch die Angriffe der ÖVP auf die Justiz wies sie zum wiederholten Mal zurück. Kritik sei möglich, das sei aber eine Frage des Wie. Derzeit werde der Rechtsstaat „immer wieder ins Wanken gebracht“.

Für Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter haben die Chats jedenfalls ein flottes Nachspiel. Christoph Grabenwarter, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, hat den früheren Justizminister zu einem Gespräch „vor Ablauf des kommenden Wochenendes“ ins Höchstgericht gebeten. Das wurde am Donnerstagnachmittag bekannt. Wenig später war aber bereits klar: Wolfgang Brandstetter wird sich als Richter am Verfassungsgerichtshof zurückziehen.

Er stand schon länger in der Kritik, weil gegen ihn wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt wird. Zuletzt ließ er sich krankheitsbedingt am Höchstgericht vertreten, einen Rückzug lehnt er ab. Allerdings hätte er auch vom VfGH selbst aus dem Amt entfernt werden können, mittels Zweidrittelmehrheit. Diese Möglichkeit besteht, wenn sich ein Mitglied des Höchstgerichts des Amtes „unwürdig“ gezeigt hat. (j. n./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2021)

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