Mein Freitag

Dreißig Minuten braucht man überall hin

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Alles, was ist, dauert drei Sekunden: Eine Sekunde für vorher, eine für nachher, eine für mittendrin.

“Über diese Erkenntnis des Jetzt singt PeterLicht in dem wunderbaren Song „Sonnendeck“, der immer dann im Kopf zu klingen anfängt, wenn die Sonne scheint und Menschen ihre Gesichter zu den Strahlen wenden wie die Blumen ihre Köpfe. Wir brauchen alle Vitamin D, so viele Avocados können wir gar nicht essen, daher empfiehlt Ihnen die Sonnenspezialistin Ihres Vertrauens zumindest dreißig Minuten täglich im Sonnenlicht.

Eine halbe Stunde, das ist auch die Zeit, die ich brauche, um überall hinzukommen in Wien. Zumindest wird die Aufbruchszeit so berechnet: Planankunft minus 30 Minuten. Natürlich könnte man manchmal früher da sein, etwa, wenn man nur in den Nachbarbezirk will, aber dann läuft man einer Bekannten in die Arme und vertratscht sich. Am Ende ist es immer eine halbe Stunde.

Voraussetzung dafür ist, dass man nicht mit dem Auto fährt und vor allem nicht nach Floridsdorf zwischen 15.30 und 17 Uhr. Es gibt Menschen, die machen das immer wieder, und wenn das Navi dunkelrote Linien zeigt (Stau), dann meinen sie, so arg wird es schon nicht sein. Das stimmt, meistens ist es noch ärger.

Ein relativ neuer Wettbewerb ist übrigens, das Navi zu schlagen. Jede Minute, die man der prognostizierten Ankunftszeit abringt, wird wie ein kleiner Sieg gefeiert. Zeige dem Gerät, dass du schneller bist, als es dir zutraut, und es ist fast so schön wie früher beim Völkerball (das heute anders heißt), wenn man den Ball fängt, den ein siegessicherer Gegner auf einen gefeuert hat, mit diesem Gesichtsausdruck: „Die fangt den nie.“

Für die 30-Minuten-Regel müssen Sie also gehen und öffentliche Verkehrsmittel kombinieren oder radfahren. Gehen ist mir das Liebste, denn dann zeigt der Schrittzähler am Abend fantastische Zahlen und so hat man dem nagenden Gefühl, der Tag sei stillgestanden, ein mächtiges Argument entgegenzusetzen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2021)

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