Causa Brandstetter

Grabenwarter: "Schlussstrich unter unerfreuliche Entwicklung ziehen"

Die Äußerung Pilnaceks über einen "vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat" seien aufs Schärfste zurückzuweisen, so Christoph Grabenwarter.
Die Äußerung Pilnaceks über einen "vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat" seien aufs Schärfste zurückzuweisen, so Christoph Grabenwarter. Clemens Fabry/Die Presse
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Herabwürdigende Äußerungen haben in einer demokratischen Gesellschaft nichts verloren, so der Präsident des Verfassungsgerichtshofs über die publik gewordenen Chats zwischen Pilnacek und Brandstetter.

Er sei „erschrocken und bestürzt“ über den Inhalt der Chatnachrichten gewesen, die zwischen Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter und dem vorläufig suspendierten Chef der Strafrechts-Sektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, ausgetauscht wurden - und die Brandstetter am Donnerstag zu seinem Rücktritt als Richter am Verfassungsgerichtshof bewogen haben. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter fand am Freitagfrüh im Ö1-"Morgenjournal" klare Worte in der Causa und betonte, es gelte nun, „einen Schlussstrich unter eine unerfreuliche Entwicklung zu ziehen" und nach vorne zu blicken.

"Herabwürdigende Äußerungen über Menschen aus Gründen ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer beruflichen Tätigkeit haben in einer demokratischen Debatte keinen Platz und in einer demokratischen Gesellschaft sollte dafür kein Raum sein", betonte Grabenwarter. Nach dem Bekanntwerden der Nachrichten habe er sich mit Kollegen ausgetauscht und nach einer Sitzung mit Mitarbeitern des Gerichtshofs mit Brandstetter Kontakt aufgenommen. Für heute, Freitag Vormittag, sei noch ein weiteres Gespräch vereinbart.

Brandstetter habe aber die Entscheidung über einen Rücktritt selbst getroffen, so Grabenwarter, und wiederholte eine von Brandstetter geäußerte Begründung: „Weil er von sich aus erkannt hat, dass die Situation eine ist, in dem er dem Gerichtshof am besten dient, indem er sein Amt niederlegt". Grabenwarter habe den Rücktritt zur Kenntnis genommen - nun gelte es, „nach vorne zu schauen, die Arbeitsfähigkeit des Gerichtshofs sicherzustellen und einen Schlussstrich unter eine unerfreuliche Entwicklung zu ziehen."

„VfGH ist große Stütze für den Rechtsstaat"

Die Äußerung Pilnaceks, wonach dieser einem "vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat" nicht mehr "dienen" könne, sei aufs Schärfste zurückzuweisen, so Grabenwarter. Der VfGH leite den Rechtsstaat nicht fehl, sondern sei eine "große Stütze für den Rechtsstaat". Nicht nur in seiner Wahrnehmung, sondern „ich glaube auch in der Wahrnehmung der großen Mehrheit in unserem Land", so Grabenwarter.

Inhaltliche Kritik am Verfassungsgerichtshof sei "völlig legitim". Man sehe dies am Beispiel der Sterbehilfe: „Das war eine schwierige Entscheidung, in der auch juristisches Neuland betreten wurde“. Es habe in den letzten Monaten eine hochqualitative juristische Auseinandersetzung in Fachzeitschriften gegeben, „die völlig legitim und notwendig ist, auch für den Gesetzgeber“. Unqualifizierte und pauschale Kritik aber nutze niemandem - dem nicht, der sie äußere und am wenigsten der adressierten Institution.

Wesentlich sei, wie auf "solche Äußerungen" reagiert werde. „Wenn es in einem Staat zum Common Sense guten Ton wird, dass man wichtige Institutionen - und wir reden hier von der Justiz insgesamt - abschätzig kommentiert, dann ist es eine Gefahr“. Wenn aber eine zivilgesellschaftliche und mediale Diskussion stattfinde, und auch höchste Staatsorgane klar Position bezögen, „dann sehe ich die Situation deutlich entspannter", so der VfGH-Präsident. Er zumindest nehme wahr, „dass wir in Österreich eine solche Diskussion gerade erleben." Als betroffene Institution könne man den besten Beitrag dazu leisten, indem man seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen und unbeirrt fortsetze.

In seiner Antwort auf die Frage nach parteipolitischem Einfluss betonte Grabenwarter, dass Höchstrichter und Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs keiner politischen Partei dienen dürften. Dass Höchstrichter von politischen Organen ernannt würden, geschehe auf der ganzen Welt. Allerdings sei wichtig, dass sie die Loyalität eben jenen gegenüber „abstreiften", die sie ins Amt gewählt hätten - da habe man „keine Rücksicht zu nehmen". Es herrsche auch im Gericht eine „Kultur", in der „man sich gegenseitig kontrolliert“ und in der man „solche Überlegungen“ nicht in die juristische Arbeit am Gericht einfließen lasse, so der VfGH-Präsident.

(bsch)

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