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Sorge um Religionsfrieden: Schönborn für „Religions-Atlas“ statt „Islam-Landkarte“

Der vorbildliche Religionsfrieden in Österreich basiere auf gegenseitigem Vertrauen, auf Dialog und Wertschätzung, betont Kardinal Christoph Schönborn.
Der vorbildliche Religionsfrieden in Österreich basiere auf gegenseitigem Vertrauen, auf Dialog und Wertschätzung, betont Kardinal Christoph Schönborn.Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Wiener Erzbischof wünscht sich einen „Ausweg aus der verfahrenen Situation“ und schlägt eine Alternative für das umstrittene Projekt vor. Integrationsministerin Raab hält allerdings daran fest - anders als die Grünen.

Kardinal Christoph Schönborn denkt einen Religions-Atlas als Alternative zur umstrittenen Islam-Landkarte an. In einem Kommentar für die Tageszeitung "Heute" fragte er sich, warum eine Religion "herausgepickt" worden sei: „Warum nicht gleich einen Atlas aller anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften andenken?“ Der vorbildliche Religionsfrieden in Österreich basiere auf gegenseitigem Vertrauen, auf Dialog und Wertschätzung, betonte Wiens Erzbischof. 

Während auch Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer ein Ende des Projekts empfiehlt, sprach sich Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) für eine Fortführung aus. Die Ressortchefin versicherte in einer schriftlichen Stellungnahme, dass die Karte nach einem Wechsel des IT-Betreibers wieder voll verfügbar sein werde. Sie trage auf wissenschaftlicher Basis dazu bei, Transparenz zu schaffen und "die Trennlinie zwischen der Religion des Islam und der gefährlichen Ideologie des politischen Islam als Nährboden für Extremismus und Parallelgesellschaften klar zu ziehen“, bekräftigte sie. Sie werde sich nicht beirren lassen und Schluss machen mit dem "Zudecken und Verschleiern". Auch Projektbetreiber Ednan Aslan sieht das Projekt nicht am Ende, sondern am Anfang. Auf der Homepage schreibt er, dass es sich lediglich um eine kurzzeitige Unterbrechung aufgrund eines Wechsels des IT-Betreibers handle. Die Seite ist aktuell zwar nicht offline, die entscheidende Suchfunktion aber nicht in Betrieb. Zuletzt war angedacht, dass man erst nach einer Registrierung Zugang erhält.

Maurer warnt vor „massiven Stigmatisierung"

Maurer meinte hingegen gegenüber ATV, dass es sehr empfehlenswert wäre, die Karte offline zu nehmen. Das "schwer verunglückte Projekt" führe zu einer massiven Stigmatisierung von muslimischen Einrichtungen. Zudem gebe es datenschutzrechtliche Probleme. Direkte Handlungsmöglichkeit sieht die Grünen-Klubchefin nicht: "Es ist ein Projekt eines Universitätsprofessors und dementsprechend ist es außerhalb des Einflussbereichs der Regierung."

Die Grünen werden auch selbst aktiv und laden zu einem "Runden Tisch" zur Landkarte. Wie Klubobfrau Sigrid Maurer am Freitag betonte, gehe die Initiative von ihr und Integrationssprecherin Faika El-Nagashi aus. Für Ende Juni will man Vertreter muslimischer Organisationen an einen Runden Tisch einladen. Ziel sei es, in einen fortgesetzten Dialog auf Augenhöhe zu kommen. Inhalte würden neben der aktuellen Debatte rund um die Islam-Landkarte und den daraus resultierenden Angriffen auch weitere gesellschaftliche Themen sein.

Schönborn warnt vor Generalverdacht

Schönborn hält es für gefährlich, wie er schreibt, wenn der Eindruck entsteht, eine der Religionsgemeinschaften werde unter Generalverdacht gestellt. Das Strafrecht sei klar genug, um staatsfeindliche, terroristische Tendenzen zu verfolgen, wo immer sie auftreten. Dass es Radikale gebe, sei kein Grund, die Politik oder die Religion als Brutstätten des Radikalismus zu betrachten.

Er schlägt einen Ausweg aus der „verfahrenen Situation“ vor: „Ich wünsche mir einen ehrlichen, transparenten Dialog zwischen Politik und Religionen in unserem Land. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft."

„Warnschilder" entfernt

Indes hat die Polizei wie zuvor in Wien auch in St. Pölten in der Nähe von islamischen Einrichtungen angebrachte "Warnschilder" sichergestellt. Die Beamten entfernten am Donnerstag drei dieser Tafeln in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Die von Unbekannten angebrachten Schilder tragen analog zu jenen in Wien die Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe" und verweisen auf die Homepage des Projekts.

Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hat Ermittlungen aufgenommen und prüft den Verdacht der Verhetzung, teilte die niederösterreichische Exekutive am Freitag in einer Aussendung mit. Darüber hinaus seien Polizisten im Außendienst dazu angehalten, falls weitere Schilder auftauchen, diese unverzüglich zu entfernen und sicherzustellen.

(APA/Red.)

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