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Wie lernen Maschinen schneller?

Künstliche Intelligenz greift auf Prinzipien aus der Psychologie zurück, erklärt die aus Italien stammende Physikerin Valeria Saggio.
Künstliche Intelligenz greift auf Prinzipien aus der Psychologie zurück, erklärt die aus Italien stammende Physikerin Valeria Saggio. [ Caio Kauffmann ]
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Quantenphysik reduziert die Lernzeit von Künstlicher Intelligenz um rund 60 Prozent. Dieser Nachweis gelang Valeria Saggio von der Universität Wien in ihrer Dissertation.

Ein Kleinkind, das gerade gehen lernt und immer wieder hinfällt, wird von seiner Umwelt, etwa vom harten Gehsteig, stets aufs Neue bestraft. Das Kind versucht also, nicht mehr hinzufallen – und lernt nach und nach gehen. An diesem Beispiel erläutert die aus Sizilien stammende Physikerin Valeria Saggio den Begriff des Reinforcement Learning, auf Deutsch als Verstärkungslernen bezeichnet. Dieses Prinzip aus der Psychologie sei eines der Paradigmen, das in der Künstlichen Intelligenz (KI) angewandt wird, erzählt sie.

Eingesetzt wird KI etwa bei Robotern, die vielerlei Aufgaben zu erledigen haben. Das Wort Roboter sei aber ein wenig irreführend, sagt Saggio – denn man assoziiere damit immer ein bisschen Science-Fiction. Im wissenschaftlichen Kontext spreche man vielmehr von Agenten. KI werde mittlerweile bei der Sprachsteuerung von Handys bis hin zum Gesundheitswesen genutzt.

Damit die Lernzeit von KI verringert wird, verfolge der Physiker Hans Briegel von der Uni Innsbruck seit etwa 2016 zudem den theoretischen Ansatz, Quantenphysik mit KI zu verbinden, schildert Saggio. In ihrem Dissertationsprojekt wies sie mit ihren Kollegen diese Theorie erstmals in der Laborpraxis nach. Im März dieses Jahres publizierte sie ihre Erkenntnisse als Erstautorin im Wissenschaftsmagazin Nature.

„Ohne Laser geht gar nichts“

„Versuche, die Künstliche Intelligenz und die Quantenphysik miteinander zu kombinieren, gab es immer wieder“, sagt Saggio. Trotz beeindruckender Ergebnisse konnte die Lernzeit aber nicht reduziert werden. So habe die Forscherin mit ihrem Team immer wieder nach einer Brücke gesucht, um beides effektiv und wirksam miteinander zu verbinden. „Der Schlüssel zum Erfolg war, dass wir dem Agenten und auch seiner unmittelbaren Umwelt die Möglichkeit gegeben haben, beim Austausch von Signalen die Quantenmechanik zu nutzen“, sagt die Wissenschaftlerin. Dadurch finde ein Interagieren auf quantenphysikalischer Basis statt.

Möglich sei das mithilfe eines Quantenprozessors, der programmierbar ist und Photonen, also Lichtteilchen, verarbeiten kann. „Ohne Laser geht bei meiner Forschungsarbeit so gut wie gar nichts“, sagt Saggio. In ihrem Versuchslabor arbeite sie mit Laserstrahlen, die über viele Spiegel gelenkt werden. „Letztendlich geht der Laserstrahl durch einen speziellen Kristall, wodurch sich einzelne Photonen erzeugen lassen“, erklärt sie.
Eines dieser Lichtteilchen werde dann in den Quantenprozessor geleitet. Der Prozessor habe die Funktion eines Roboters beziehungsweise eines Agenten und sei im Idealfall in drei Regionen aufgeteilt. Dabei arbeite die erste und die dritte Stufe als Agent, die zweite ist die sogenannte externe Umwelt. In dieser Region passiere das Belohnen oder Bestrafen des Agenten, je nachdem, welchen Auftrag er hat. „Denken wir an einen Prozessor in einem klassischen Computer, so kennt dieser aufgrund der binären Digitaltechnik nur die Zustände eins oder null“, so Saggio.

Beim Quantenprozessor ist das wegen des quantenphysikalischen Prinzips, der „Superposition“, etwas anders; er lässt die Zustände eins und null gleichzeitig zu. Durch diesen Wirkmechanismus sei es möglich, die Lernzeit bei KI um etwa 60 Prozent zu reduzieren, so Saggio. Ihre experimentelle Forschungsarbeit bestätigt anhand von validen Messergebnissen den Forschungsansatz, dass sich KI mit Quantenphysik effektiv verbinden lässt. Das eröffnet neue Perspektiven auf dem Gebiet der Quantencomputer-Technologie.

Österreich genießt hohe Reputation

Zur Person

Saggio absolvierte in Sizilien ein klassisches Gymnasium. Eine Physikprofessorin erkannte ihr naturwissenschaftliches Talent und drängte sie, Physik- und Mathematikkurse zu besuchen. Der Druck der Lehrerin und ihre Lernerfolge motivierten Saggio, an der Universität von Catania Physik zu studieren. Für ihre Dissertation sei sie deshalb nach Wien gekommen, weil die österreichische Hauptstadt auf dem Gebiet der Quantenphysik international hohes Ansehen besitze, so die Wissenschaftlerin.Valeria Saggio (29) schloss das Bachelorstudium in Physik 2013 an der Universität von Catania auf Sizilien ab. Es folgten Aufenthalte an der Queen's University in Belfast, Nordirland, und an der Universität von Florenz (Italien). 2015 beendete Saggio das Masterstudium, im Mai 2021 promovierte die bereits vielfach ausgezeichnete junge Forscherin bei Philip Walther an der Uni Wien.

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