Viren

Die Gefahr aus dem Labor

Im vermeintlichen Elfenbeinturm der Wissenschaft kann es zu Gefahrenmomenten mit ungeahnten Folgen kommen.
Im vermeintlichen Elfenbeinturm der Wissenschaft kann es zu Gefahrenmomenten mit ungeahnten Folgen kommen. [ Christian Charisius/DPA/picturedesk.com ]
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Die These vom Laborunfall in Wuhan ist nicht vom Tisch. Experimentelle Pannen in der Forschung haben eine lange Vorgeschichte, inklusive Desinformationskampagnen.

Der Job als Polizeifotografin war der Britin Janet Parker zu stressig geworden, so wechselte sie 1975 an die Medizinische Fakultät der Universität Birmingham. Man brauchte sie hier für Mikrofotografien. Was sie nie besuchte, war das Pockenvirenlabor, das etwa 15 Meter von ihrer Arbeitsstelle entfernt lag. Es war eines der letzten, an denen geforscht wurde, die Krankheit galt bereits als ausgestorben. Trotzdem starb Janet Parker am 11. September 1978 an einer Pockeninfektion. Ein Luftkanal hatte Aerosole in den Raum geleitet, in dem sie arbeitete. Durch pures Glück und schnelle Reaktion der Gesundheitsbehörden, einschließlich Quarantäne für mehr als 300 Personen, wurde der tödliche Fehler nicht zu einer regelrechten Pandemie. Der Leiter des Labors, an dem Sicherheitsmängel festgestellt wurden, beendete sein Leben durch Suizid.

Die heißeste Hysterieware gegen Ende des Kalten Krieges kam aus Kreisen osteuropäischer Geheimdienste. Am 18. Februar 1987 erschien in der linken Berliner Zeitung „Taz“ ein Interview des Schriftstellers Stefan Heym mit dem Ostberliner Biologen Jakob Segal unter der Überschrift: „Aids. Made in USA“. Die Immunschwächekrankheit sei auf einen Laborunfall 1975 im amerikanischen Militärforschungsinstitut Fort Detrick zurückzuführen. Die Desinformation schlug in der linken Szene ein wie eine Bombe. Die Stasi jubelte sie sogar dem Erfolgsschriftsteller Johannes Mario Simmel unter, sie floss in seinen Roman „Mit den Clowns kamen die Tränen“ von 1990 ein. Dass daran nichts dran war, kam Anfang der Neunzigerjahre, nach der Öffnung der Stasi-Archive, ans Licht. Doch bereits 1987 war die These überholt. Man wusste, dass es schon vor dem behaupteten Laborunfall 1975 Krankheitsbilder gab, die die Zerstörung des Immunsystems durch ein Virus zeigten, ohne dass man einen Namen dafür hatte.

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