Diplomatie

Kurz bei Petersburger Wirtschaftsforum diplomatisch

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Österreichs Bundeskanzler vermied Kritik an Gastgeber Putin und verteidigte EU-Sanktionen gegen Belarus.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Freitag als einziger EU-Regierungschef am St. Peterburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF) teilgenommen. Bei der zentralen Diskussion antwortete der per Video zugeschaltete Kurz diplomatisch und pragmatisch auch auf provokante Fragen des Moderators. Er vermied Kritik an Gastgeber Wladimir Putin und wollte sich auch nicht für russische Kampagnen gegen die USA einspannen lassen. Die EU-Sanktionen gegen Belarus verteidigte Kurz.

"Trotz aller grundlegenden Unterschiede in Menschenrechtsfragen ist es wichtig, dass wir international zusammenarbeiten, um die COVID19-Pandemie, den Klimawandel und die Weltwirtschaftskrise zu bewältigen", begründete der Bundeskanzler nach seinem Auftritt am Freitag seine Teilnahme am Wirtschaftsforum im Kurznachrichtendienst Twitter.

Der russische Präsident habe 2018 bei seinem Besuch in Wien versprochen, das Investitionsklima in Russland zu verbessern, erzählte Moderator Stass Natanson und fragte den Bundeskanzler, ob Putin sein Versprechen eingehalten habe. "Unsere wirtschaftlichen Beziehungen haben sich seit Jahrzehnten positiv entwickelt und die Pandemie hat an unseren Absichten nichts verändert", antwortete Kurz. Er sei zufrieden, wie sich die Dinge entwickeln, betonte er, vermied aber gleichzeitig eine explizite Beantwortung der Frage.

Der Moderator, der für das russische Staatsfernsehen arbeitet, konfrontierte Kurz mit vergangenen österreichischen Bemühungen, den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V anzukaufen. Der Bundeskanzler verwies auf eine ausständige Zulassung des russischen Impfstoffs durch die europäische Arzneimittelagentur EMA, die eine Verwendung von Sputnik V in Österreich aus rechtlichen Gründen bisher nicht möglich gemacht habe. Er hoffe aber auf eine baldige Zulassung, so Kurz.

Zwischenzeitlich habe man in Österreich andere Impfstoffe eingesetzt: "Das erlaubt die Entwicklung von Wirtschaft und Tourismus, das ist sehr wichtig", sagte er. Man hoffe auch, dass bald wieder vielen Russinnen und Russen nach Österreich kommen, um hier ihren Urlaub zu verbringen.

Kurz sieht viele Unterschiede

Wiederholt versuchte der Moderator den per Video zugeschalteten österreichischen Kanzler zu Kritik an den USA zu bewegen. Eine Frage bezog sich auf internationale Öl- und Gasgeschäfte, die in Dollar und nicht in Euro abgewickelt werden. Kurz stellte dies als eine rein wirtschaftliche Entscheidung ohne geopolitische Implikationen dar. Russlands stärkere Abkehr vom Dollar als Leitwährung war in den letzten Tagen eine wichtige wirtschaftspolitische Frage, die beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg besprochen wurde.

Moderator Natanson fragte Kurz aber auch, wie sich politische Proteste in den USA von jenen in Belarus unterscheiden würden. Anders als das Ergebnis der US-Wahlen habe die EU den Wahlsieg von Präsident Lukaschenko nicht anerkannt, sagte er. "Da sehe ich sehr viele Unterschiede und ich halte das für nicht vergleichbar", erwiderte Kurz. Der Moderator hielt dem Bundeskanzler in Folge auch vor, dass der kürzlich am Minsker Flughafen verhaftete Blogger Roman Protassewitsch als Teil des "Asow-Regiments" und mit Hakenkreuz auf der Schulter in der Ostukraine gekämpft habe.

Der Vorhalt war teils faktisch fragwürdig: Protassewitschs Präsenz im ostukrainischen Frontgebiet vor einigen Jahren ist bekannt, belegt ist bisher lediglich, dass er als Journalist das rechtsradikale Regiment begleitet. Auch verwendet das Regiment Asow kein Hakenkreuz, sondern die Wolfsangel als Symbol.

"Er ist kein Terrorist, sondern ein Blogger und Journalist", erwiderte Kurz und verwies auf die Medienfreiheit. Ein Flugzeug zur Landung zu zwingen, Menschen zu verhaften und per Folter Geständnisse zu erzwingen sei nicht normal, kritisierte er.

Anschließend machte auch Putin seine Ansicht zur erzwungene Landung eines Ryanair-Flugs und der Verhaftung des Bloggers deutlich. Russische Geheimdienste seien nicht involviert gewesen, erklärte der russische Präsident. "Sollte das die Führung der NATO glauben, dann ist die NATO in Gefahr", sagte er und erntete damit Applaus.

Lukaschenko habe ihm erklärt, dass keine Operationen vorweg geplant gewesen sei und man von der Präsenz dieses Mannes erst nach der Landung erfahren habe. "Ich möchte mich mit dieser Causa aber nicht beschäftigen, das betrifft uns überhaupt nicht", sagte er und machte deutlich, dass er über Protassewitsch nichts wisse und auch nichts wissen wolle: "Irgendein Roman Protassewitsch - ich kenne ihn nicht und will ihn auch nicht kennen."

Putin gibt keine klare Antwort

Putin verweigerte eine klare Antwort auf die Frage, ob sein Land Passagiermaschinen mit gesuchten Personen zur Landung zwingen würde. "Ich sage dazu nichts", antwortete er in einer scherzhaften Intonation. Moderator Natanson hatte zuvor gefragt, ob ein über russischen Luftraum geführtes Flugzeug aus London nach Thailand das gleiche Schicksal wie der kürzliche Flug von Ryanair über Belarus(Weißrussland) erleiden könnte.

Putin erinnerte erneut an die Landung des Flugzeugs des bolivianischen Präsidenten Evo Morales 2013 in Wien, an die sich laut dem russischen Präsidenten jedoch niemand erinnern würde. Freilich war von dieser Causa zuletzt nicht nur in russischen, sondern auch in internationalen Medien zu lesen.

Nachdem das Gerücht aufgekommen war, dass sich der US-amerikanische Ex-Geheimdienstler und Whistleblower Edward Snowden an Bord befinden könnte, war der aus Moskau nach La Paz fliegende Jet im Juli 2013 in Wien-Schwechat gelandet - offiziell wegen des Entzugs von Überflugrechten durch westeuropäische Staaten. Der von den USA gesuchte Snowden befand sich damals jedoch nicht an Bord, stellte auch die Schwechater Flughafenpolizei im Rahmen einer "Nachschau" fest.

Abgesehen von Kurz auf der großen Leinwand war Österreich am Freitagnachmittag vor Ort nur schwach vertreten. Zu erkennen war lediglich Ex-Außenministerin und Rosneft-Aufsichtsratsmitglied Karin Kneissl, die im großen Saal in der zweiten Reihe saß. Unmittelbar vor ihr saß der einflussreiche Chef des russischen Fonds für Direktinvestitionen, Kirill Dmitrijew, mit dem Bundeskanzler Kurz im Frühjahr über einen möglichen Ankauf von "Sputnik V" konferiert hatte.

(APA)

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