ÖVP

Schützenhöfers Ratschläge an Sebastian Kurz

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20210322 Adjustments of Corona measures. Talks with experts - opposition - state governors - Presentation of results VIE(c) imago images/SEPA.Media (Martin Juen via www.imago-images)
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Der Steirer Hermann Schützenhöfer, aktuell Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, kritisiert den Umgang der ÖVP-Parteispitze mit der Justiz. Die veröffentlichten Chats nennt er „grauslich“.

Es wäre vielleicht zu viel gesagt, Hermann Schützenhöfers Worte als Rüge zu bezeichnen. Aber eine Mahnung an die ÖVP-Spitze, sich im Ton zu mäßigen, hat der steirische Landeshauptmann am Sonntag in der ORF- „Pressestunde“ allemal ausgesprochen.
Besonders die Attacken gegen die Justiz sieht Schützenhöfer kritisch: Er verstehe zwar, dass sich der Kanzler ungerecht behandelt fühle – nicht aber die Reaktion: „Ich persönlich würde die Justiz jedenfalls nicht angreifen.“ Schon Alfons Gorbach, ÖVP-Bundeskanzler in den 1960er-Jahren, habe gesagt, dass es besser sei, seine Meinung in den eigenen vier Wänden zu äußern und nicht am Hauptplatz.

„Die Justiz ist eine große Säule des Rechtsstaats“, sagte der aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz. Er sei zwar auch nicht mit jedem Urteil des Verfassungsgerichtshofs einverstanden, „aber was die urteilen, das gilt“. Er habe auch Verständnis dafür, dass die Staatsanwaltschaft gegen Sebastian Kurz ermittle: „Die müssen ja untersuchen“, wenn es Anzeigen gegen den Bundeskanzler gebe.

Ihm sei aber auch der Ärger in der Bevölkerung nicht entgangen: darüber, dass die Opposition nun geschlossen gegen Kurz vorgehe. Und Schützenhöfer ließ nicht unerwähnt, dass „kampagnenmäßig“ hier auch die Grünen mitmachten. Der Tenor in der Bevölkerung sei aber eindeutig: Man lasse sich den Kanzler „nicht herausschießen“.
Was die ÖVP tun würde, wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich Anklage gegen Sebastian Kurz wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss erheben würde? Das werde man dann besprechen müssen, sagte Schützenhöfer. Aber er gehe nicht davon aus, erst recht nicht von einer Verurteilung. „Ich bin überzeugt, dass er nicht verurteilt wird.“

Vizekanzler Werner Kogler hatte am Samstag das Ende von Türkis-Grün in Aussicht gestellt, sollte Sebastian Kurz verurteilt werden. Damit wären „andere Regionen der Beeinträchtigung der Amtsfähigkeit erreicht“, sagte Kogler im ORF-Radio. „Da würde ich meinen, dass sich das nicht ausgehen wird. Also ein verurteilter Bundeskanzler ist tatsächlich nicht vorstellbar.“

„Die ÖVP geht durch ein Tal“

Hermann Schützenhöfer leugnete am Sonntag nicht, dass die Volkspartei derzeit „durch ein gewisses Tal“ gehe. Aber es gebe keine Alternative zu Sebastian Kurz, nicht nur in den eigenen Reihen: In den Umfragen liege die ÖVP nach wie vor weit vorn, und das decke sich auch mit seinem Bauchgefühl.
Auf den Bundeskanzler ist der Landeshauptmann laut eigenen Angaben sogar stolz – „über manche in seinem Umfeld nicht wirklich“. Gemeint war unter anderem der scheidende Öbag-Chef Thomas Schmid, der sich etwa über den „Pöbel“ beklagt hatte, unter den er sich auf Flugreisen mischen müsse, wenn er nach dem Ausscheiden aus dem Finanzministerium keinen Diplomatenpass mehr habe.

Noch „viel mehr entsetzt“ war Schützenhöfer „über das, was über die Kirche zu lesen war“. Die bekannt gewordenen Chats, egal, ob zwischen Spitzenvertretern der ÖVP oder ÖVP-nahen Spitzenjuristen, seien „in allen Fällen grauslich“. Aber dass sie veröffentlich wurden, sei „ebenso grauslich“. Denn: „Das gibt es nirgends, auch in Deutschland nicht.“

Dem suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek, der sich am Samstag für seine Äußerungen im Austausch mit dem mittlerweile zurückgetretenen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (siehe nebenstehenden Artikel) entschuldigt hatte, gestand Schützenhöfer immerhin zu, gute Arbeit für die Justiz geleistet zu haben. Und dass sich Pilnacek per SMS an den Landeshauptmann dafür eingesetzt hatte, dass seine Ehefrau, Caroline List, ein hohes Richteramt bekommt, wollte der Landeshauptmann auch nicht verurteilen: „Was glauben Sie, wie viele Menschen bei mir intervenieren?“ Er habe in dem Fall nicht geantwortet. Zudem solle Caroline List, Präsidentin des Grazer Straflandesgerichts, nicht schlecht gemacht werden – sie wäre „sicher auch für ein Ministeramt geeignet“.

Hofburg: Griss? Rabl-Stadler?

Und wie geht es mit der Bundesregierung weiter? Er hoffe, dass Türkis-Grün dieses Mal „annähernd“ die gesamte Legislaturperiode durchhält. Die Menschen wollten nicht, dass alle zwei Jahre neu gewählt werde. Dafür müssten beide Seiten einander „Raum geben“.

Der ÖVP riet Schützenhöfer, keinen Hofburg–Kandidaten aufzustellen, sollte Alexander Van der Bellen 2022 erneut antreten. Damit würde man „Größe zeigen“. Sollte sich Van der Bellen jedoch anders entscheiden, würde er für eine Kandidatin plädieren, die nicht nur die klassischen Wählerschichten anspricht: die frühere OGH-Präsidentin und Neos-Abgeordnete Irmgard Griss etwa. Oder die Präsidentin der Salzburger Festspiele, Helga Rabl-Stadler.

(pri/APA)

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