Deutsche Landtagswahlen

Triumph für CDU, Dämpfer für Grüne in Sachsen-Anhalt

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GERMANY-POLITICS-VOTE-SAXONY-ANHALT(c) APA/AFP/POOL (RONNY HARTMANN)
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CDU glückte die Generalprobe für die Bundestagswahl: Sie holte Platz eins in Sachsen-Anhalt. Die AfD blieb auf Rang zwei und die Grünen hinter den Erwartungen.

Wien/Berlin. Es war der letzte Stimmungstest vor der Bundestagswahl im Herbst. Und die CDU hat ihn bestanden. Die Christdemokraten holten bei den Landtagswahlen im ostdeutschen Sachsen-Anhalt 37,1 Prozent der Stimmen. Die Landespartei des populären Ministerpräsidenten Reiner Haseloff konnte demnach kräftig zulegen. 2016 kam sie auf 29,8 Prozent.

Die CDU schnitt viel besser ab, als es die Umfragen vorhergesagt hatten – und sie hat auch die AfD meilenweit abgehängt. Einzelne Meinungsforscher hatten im Vorfeld noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD vorhergesagt. Solche Umfragen könnten der CDU einen Schub auf den letzten Wahlkampfmetern gegeben haben: Wer verhindern wollte, dass die AfD erstmals in einem Bundesland Platz eins erobert, musste CDU wählen. Ministerpräsident Haseloff deutete das Ergebnis als „klare Abgrenzung“ seiner Landsleute „gegen rechts“. Haseloff, 67-jähriger Physiker, Pragmatiker und in Talkshows gern die Stimme des Ostens, wird selbst ein großer Anteil am Erfolg der CDU zugebilligt.

Sachsen-Anhalt zählt aber weiter zahlreiche blaue Hochburgen, die AfD ist hier viel stärker als im Westen. 2016 hatte sie im Sog der Flüchtlingskrise aus dem Stand Platz zwei erobert - 24,3 Prozent. Danach spaltete sich die zerstrittene Landespartei – und sie geriet als rechtsextremer Verdachtsfall auf den Radar des Verfassungsschutzes. Viele Wähler schreckte das nicht ab. Die AfD holte 20,8 Prozent und verteidigte damit trotz Verlusten klar Platz zwei.

Die Rechten saugen im Osten den Protest und die Unzufriedenheit vieler Landsleute auf. Eine ARD-Erhebung am Wahltag ergab, dass sich auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung rund drei Viertel der Wähler in vielen Belangen als Bürger zweiter Klasse empfinden. Sachsen-Anhalt zählt oft zu den Nachzüglern: Die Lebenserwartung ist hier niedriger, die Arbeitslosigkeit höher als im Schnitt. Im deutschen Bildungsmonitor belegt das Bundesland den 16. und letzten Platz.

Grüne enttäuschen

Der Sonntag gab der CDU Rückenwind, den Grünen nicht. Ihnen ist die Generalprobe für die Bundestagswahl missglückt. In Berlin träumen die Grünen bekanntlich vom Kanzleramt, in Sachsen-Anhalt träumten sie bescheidener – und zwar von einem zweistelligen Ergebnis. Doch selbst daraus wurde nichts. Den Hochrechnungen zufolge erzielten die Grünen zwar sanfte Zugewinne, blieben jedoch mit 5,9 Prozent deutlich hinter den Erwartungen. Der ländliche Osten war und ist für sie ein schwieriges Terrain. Ihr Leibthema Klimaschutz zündet hier kaum.

Sie lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FDP Den Liberalen ist nach zehn Jahren Wartezeit der Wiedereinzug in den Landtag in Magdeburg gelungen. Sie erreichten 6,4 Prozent.

Nicht nur für die Grünen, auch für die anderen Parteien links der Mitte verlief der Wahlabend enttäuschend. Der Niedergang der Linkspartei setzte sich fort. Zwar verteidigte sie Platz drei. Allerdings verzeichnete die Linke mit 11,0 Prozent ihr historisch schwächstes Ergebnis. Ihren Status als Volkspartei im Osten hat die Linke längst verloren.

Die SPD verzeichnete mit 8,4 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis in Sachsen-Anhalt (2016: 10,6 Prozent). Es ist auch bundesweit eines ihrer schlechtesten in der Nachkriegsgeschichte: In Sachsen hatten die Sozialdemokraten 2019 mit 7,7 Prozent ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis überhaupt eingefahren, in Thüringen kamen sie im selben Jahr nur auf 8,2 Prozent.  1998 triumphierte die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt noch mit 35,9 Prozent der Stimmen – ein paar Monate später löste Gerhard Schröder CDU-Kanzler Helmut Kohl ab. Auch wegen eines starken Ergebnisses im Osten.

40 Sitze im Landtag für die CDU

Haseloff sprach von deutlichem Rückenwind für die deutsche Bundestagswahl. "Wir sind geschlossen aufgetreten - CDU und CSU", sagte der 67-Jährige. Die Botschaft in Richtung Berlin sei klar: "Nur gemeinsam können wir gewinnen." Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagte, die Wahl habe gezeigt, dass die CDU auch unter Laschet "regierungsfähig" sei. Laut Generalsekretär Paul Ziemiak ist es der größte CDU-Zugewinn bei einer Landtagswahl seit Laschets Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen 2017.

Auch der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla sprach von einem "sehr guten Ergebnis". An die Adresse der Union sagte er: "Wir können hier durchaus eine bürgerlich-konservative Regierung bilden." Dies lehnt Haseloff aber kategorisch ab.

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock räumte ein, dass man sich mehr erhofft habe. Viele Menschen hätten aber verhindern wollen, dass Rechtsextreme eine Regierung mitbestimmten, und deshalb die CDU unterstützt. Die Ausgangslage bei der Bundestagswahl sei komplett anders.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans führte das schlechte Ergebnis der Sozialdemokraten auf eine starke Polarisierung zurück. Er machte zugleich deutlich, dass die SPD in Sachsen-Anhalt weiter als Regierungspartner bereitsteht.

FDP-Chef Christian Lindner sagte: "Die Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt haben die politische Mitte gestärkt. Er ergänzte: "Wir wissen, dass unsere Freundinnen und Freunde in Sachsen-Anhalt bereit sind zur Übernahme von Verantwortung für dieses Land, wenn Richtiges, wenn Gutes bewirkt werden kann."

Die Linke hat nach Ansicht von Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch auch deshalb Stimmen eingebüßt, weil Wähler mit dem Votum für die CDU die AfD als stärkste Kraft verhindern wollten. Bartsch zeigte sich enttäuscht vom Einbruch seiner Partei. "Das ist zweifelsfrei eine Niederlage."

Nach dem vorläufigen Ergebnis bekommt die CDU im neuen Landtag 40 Sitze (2016: 30). Die AfD stellt 23 Abgeordnete (25). Die Linke kommt auf 12 Mandate (16), die SPD auf 9 (11). Die Grünen erhalten 6 Mandate (5). Die FDP zieht mit 7 Abgeordneten in den Landtag ein. Der neue Landtag hat 97 Abgeordnete - 10 mehr als bisher.

Die Landtagswahl galt als letzter großer Stimmungstest vor der deutschen Bundestagswahl am 26. September. Sie war zugleich die erste seit Ausrufung von CDU-Chef Laschet zum Kanzlerkandidaten. Haseloff hatte lange Zeit keinen Hehl daraus gemacht, dass er CSU-Chef Markus Söder für den besseren Kanzlerkandidaten gehalten hätte. CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte am Abend, die Union habe gezeigt, dass sie Garant für Stabilität und Bollwerk gegen Radikale sei.

Haseloff, der 2011 erst eine Große Koalition und 2016 dann das Kenia-Bündnis geschmiedet hatte, hat eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken kategorisch ausgeschlossen. Die politische Konkurrenz hatte im Wahlkampf aber immer wieder Zweifel geäußert, ob tatsächlich die gesamte Landes-CDU die strikte Abgrenzung zur AfD mitträgt. Aus den Reihen der CDU-Landtagsfraktion hatte es in den letzten Jahren immer wieder Forderungen gegeben, sich für eine Kooperation zu öffnen.

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