Rechtsanwälte-Chef Wolff schließt Verletzung des Amtsgeheimnisses nicht aus.
Wien. Die Chats zwischen dem suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek und Wolfgang Brandstetter, dem inzwischen zurückgetretenen Verfassungsrichter auf ÖVP-Ticket, könnte für beide ein gerichtliches Nachspiel haben, glaubt Rechtsanwältepräsident Rupert Wolff: Die Staatsanwaltschaft werde wohl wegen des Verdachts der Amtsgeheimnisverletzung ermitteln.
Klar sei, dass Pilnacek und Brandstetter für höchste Justizpositionen nicht „fit and proper“ seien, findet Wolff. Mit seinem Rücktritt habe Brandstetter aus Sicht eines Juristen die richtige Entscheidung getroffen. „Dennoch wird das ein Nachspiel haben.“ Die mögliche Verletzung des Amtsgeheimnisses beim Austausch über VfGH-Interna sei ein Tatbestand nach dem Strafgesetzbuch, letztlich müsse die Staatsanwaltschaft da tätig werden. Dies gelte auch für Pilnacek als Beteiligtem.
Die versuchte Intervention Pilnaceks beim – dafür unzuständigen – steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), um seiner Frau einen Posten am Oberlandesgericht in Graz zu sichern, dürfte aus Sicht des Präsidenten des Rechtsanwaltskammertages dagegen keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Mehr als einen „untauglichen Versuch“, sich per nächtlicher SMS für das berufliche Fortkommen seiner Ehefrau einzusetzen, sieht er darin nicht.
Verurteilung: Kurz-Rücktritt
Im Fall Sebastian Kurz erinnerte Wolff an die Unschuldsvermutung, sollte der Bundeskanzler wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss angeklagt werden. Etwas anderes wäre es, wenn es zu einer Verurteilung käme, wobei der Rechtsanwältepräsident hier vor allem an moralische Standards erinnert: „Wäre ich Bundeskanzler, würde ich zurücktreten.“ (APA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2021)