Privatisierung statt neuer Steuern

Die aktuelle Konsolidierungsdebatte konzentriert sich auf neue Steuern und Ausgabenkürzungen. Privatisierungen werden kaum diskutiert und deren Mehrfachgewinne unterschätzt.

Der dringende Sanierungsbedarf der öffentlichen Haushalte ist unbestritten. Das Wifo hat errechnet, dass ohne Konsolidierungsmaßnahmen die Verschuldung der öffentlichen Haushalte von 62,5 Prozent im Jahr 2008 auf 78,5Prozent des BIPs im Jahr 2013 steigen würde. Damit ist die Verschuldungsgrenze nach „Maastricht“ von 60 Prozent deutlich überschritten. Zur Konsolidierung schlägt das Wifo ein Paket von 10 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre vor. Damit soll das Budgetdefizit wieder unter drei Prozent gedrückt werden und der Staats-Schuldenstand auf „lediglich“ 74,3Prozent steigen.

Zur Vermeidung dieses Horrorszenarios wird über neue Steuern und Ausgabenkürzungen heftig diskutiert. Die dritte Stellschraube zur Konsolidierung – die Privatisierung – wird jedoch kaum erwähnt. Dabei waren die bisherigen Privatisierungen fast durchgängig Erfolgsgeschichten für die Unternehmen und deren Mitarbeiter und haben substanziell zur Entlastung der öffentlichen Haushalte beigetragen.


„Verstehen Sie doch: Wir sind pleite!“

Eine Rückblende in das Jahr 1986 erinnert uns an H.M.Sekyra: „Wir sind pleite. Verstehen Sie doch: Wir sind pleite!“ Das war der legendäre Ausspruch des Generaldirektors der Verstaatlichten-Holding vor der Belegschaft eines Stahlwerks und der unrühmliche Schlusspunkt des Austrokeynesianismus: politische Intervention, Misswirtschaft und Verkrustung der Betriebe. Und so musste geschehen, was zu lange aufgeschoben wurde: die Privatisierung der Unternehmen zur Rettung dieser Industrien und zur Budgetkonsolidierung.

Ein Paradebeispiel dafür ist die Voestalpine. Nach mehreren Stufen der Privatisierung und damit unbelastet von politischen Eingriffen (zuletzt Dank Generaldirektor Eder) steht der Konzern heute als starker Player auf der ökonomischen Bühne. Die Macht eines Betriebskaisers namens „Ruh-haltinger“, dessen Name Synonym für die „Betonfraktion“ in der Verstaatlichten war, wurde gebrochen.


Potenzial: Mehr als 14 Milliarden Euro

Das Wifo hat Privatisierungsvolumina von acht bis 25 Milliarden Euro je nach Ausmaß der Reduktion des Staatsanteils berechnet. Ein Szenario ist der Rückzug des Staates auf die aktienrechtliche Sperrminorität von 25 Prozent. Das ist deshalb realistisch und sinnvoll, weil damit die Republik strategischer Investor bleibt, jedoch gleichzeitig mehrheitlich private Investoren politische Interventionen zurückdrängen können.
•Verbund und Energieversorger der Länder: Bei der Energiewirtschaft müsste das zweite Verstaatlichungsgesetz für einen Rückzug auf die aktienrechtliche Sperrminorität novelliert werden. Das ist keine einfache politische Frage, vor allem weil die Macht der Landeskaiser betroffen ist. Eine derartige Teilprivatisierung könnte nach Berechnungen des Wifo bis zu 14Milliarden Euro erlösen.
•OMV, Telekom Austria und Post: Derzeit hält die Verstaatlichtenholding ÖIAG 31,5Prozent an der OMV, 52,8 Prozent an der Post und 28,4 Prozent an der Telekom Austria. Nach aktuellem Börsekurs liegt der Wert dieser Beteiligungen bei über vier Milliarden Euro. Wenn sich daher die Republik auf einen Anteil von 25 Prozent zurückzieht, könnten Erlöse von rund einer Milliarde Euro zur Entlastung des Budgets erzielt werden.
•Bundesimmobiliengesellschaft (BIG): Vom Wifo wurde ein Unternehmenswert von 4,6 Milliarden Euro berechnet. Der Verkauf von 75 Prozent des Immobilienvermögens der BIG würde daher 3,5 Milliarden Euro erlösen.

Privatisierungen in diesen drei Bereichen könnten daher einen Gesamtertrag von bis zu 18,5 Milliarden Euro bringen. Wenn man diese 18,5 Milliarden Euro mit einer Verzinsung von vier Prozent multipliziert, so errechnet sich für das Budget eine jährliche Zinsersparnis von 740 Millionen Euro.


Mehrfachgewinne möglich

Zu oft werden Privatisierungen rein unter fiskalischen Gesichtspunkten diskutiert. Die zusätzlichen positiven Effekte werden häufig vergessen. Ich spreche daher von Mehrfachgewinnen für den Bürger durch Entstaatlichung.
•Effizienzsteigerung: An Beispielen wie den ÖBB ist leicht zu erkennen, dass effizientes Wirtschaften in verstaatlichten Unternehmen nur sehr eingeschränkt zur Anwendung kommt. Auch empirisch ist nachgewiesen, dass die öffentliche Leistungserstellung um 50 bis 100 Prozent teurer ist als die privatwirtschaftliche Alternative (OECD, F. Schneider). Wir können daher von einigen Milliarden Euro an Effizienzverlusten in verstaatlichten Betrieben ausgehen. Denn auch Politiker sind nur Menschen: Sie suchen unter der Nebenbedingung, die nächsten Wahlen zu gewinnen, ihre ideologischen und persönlichen Ziele zu maximieren. Die effiziente Unternehmensführung tritt damit in den Hintergrund.
•Qualitätsverbesserungen und Preissenkungen waren in der Telefonie nach deren Privatisierung für alle Bürger deutlich erkennbar. Österreich hat es innerhalb weniger Jahre vom „Viertelanschluss-Land“ mit langer Wartezeit und Höchstpreisen zum „Niedrigtarif-Staat“ mit vielfältigem Angebot geschafft.
•Innovation und Ausbildung sind für Betriebe, die im Wettbewerb stehen, überlebenswichtig. Denn am Markt kann nur der Innovative bestehen und benötigt dafür gut ausgebildetes Personal.
•Erhöhte Investitionen: Angespannte öffentliche Haushalte sind bekanntermaßen „zurückhaltende“ Investoren, weil die knappen Mittel für laufende (Personal-) Aufwendungen gebraucht werden. Die ÖBB und deren Infrastruktur sind ein überzeugendes Beispiel. Die bisherigen Privatisierungen hingegen zeigen, wie private Investoren zu mehr Investitionen führen.
•Auch der Kapitalmarkt wird belebt: Der weitere Rückzug des Staates aus börsenotierten Unternehmen bedeutet einen höheren Free Float. Das steigert die Liquidität der Aktie und somit deren Wert.

Zusammenfassend halte ich fest, dass intelligente Privatisierungen nicht nur die öffentlichen Schulden reduzieren, sondern weitere Gewinne für die Bürger bringen. Ideologische Einwände („neoliberale Vernichtung von Volksvermögen“) entbehren aufgrund der Ineffizienzen verstaatlichter Betriebe und einer Staatsquote von über 50 Prozent der Wirtschaftsleistung Österreichs jeder Grundlage. Daher Mehrfachgewinne durch Privatisierung statt neuer Steuern!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2010)


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