Mystery-Serie

"Lisey's Story": Im Labyrinth des Stephen King

Julianne Moore und Clive Owen.
Julianne Moore und Clive Owen.(c) Apple TV+
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In der King-Adaption „Lisey's Story“ verstrickt sich Julianne Moore als Autorenwitwe im Vermächtnis ihres Mannes. Schön, aber spannungsarm. Auf Apple TV+.

Es gibt Serien, die schmeißen die verantwortlichen Streaming-Studios achtlos in ihre digitalen Wühlkisten – als Dutzendware für den Schnellkonsum. Und dann gibt es die Edel- und Prestigeproduktionen, die sie feilbieten wie schmucke Perlencolliers – als Aushängeschilder für ihre jeweiligen Marken. „Lisey's Story“, zu sehen auf Apple TV+, ist in dieser Hinsicht ein Zwitterwesen, ein Luxusmodell mit schrill schillernden Chromfelgen, was wohl auch an deren Federführer Stephen King liegt. Die Werke des ewigen Bestsellermachers tänzeln stets auf Messers Schneide, schwanken zwischen Kunstsinn und Schundigkeit.

„Lisey's Story“, vom Autor selbst auf Basis seines gleichnamigen Romans aus dem Jahr 2006 adaptiert, ist ein mustergültiger King-Stoff. Wie so oft gibt es ein selbstreflexives, autobiografisches Moment, nur die Perspektive ist verschoben. Es geht um Ehe und Beziehungsarbeit. Doch im Zentrum steht nicht ein erfolgreicher Schriftsteller, sondern dessen Frau. Lisey (Julianne Moore), Witwe des weltberühmten Fantasy-Literaten Scott Landon (Clive Owen), ringt damit, den Tod ihres geliebten Mannes zu verwinden. Doch Landons Andenken lässt sie nicht los. Kryptische Botschaften des Verstorbenen schicken die Trauernde auf eine Rätselrallye durch ihre Vergangenheit, in das Labyrinth seiner Geschichten. Zudem macht einer von Landons verbissensten Fans Lisey den Nachlass ihres Gatten streitig – mit zunehmend gewaltsamen Mitteln.

Die zutiefst menschliche Frage, wie stark eine innige Partnerschaft Menschen emotional zusammenschweißt, welche Spuren sie hinterlässt, verhandelt King in kluger, aber gewohnt pulpiger (und oft plakativer) Manier. Die Bande zwischen Lisey und Landon erweisen sich als übersinnlich, sie schützen gegen dämonische Mächte. Wasser ist ihr Zauberelement, ein Pool vor dem gemeinsamen Haus dient als buchstäbliche Kraft- und Inspirationsquelle. Liseys Stalker (unheimlich: Dane DeHaan) geriert sich indessen als gekränkter Männerrechtler, verteufelt Frauen als parasitäre Hexen; „stay single“, so sein zynischer Leitspruch.

Mystery-Meditation mit Nobelästhetik

Wenn Lisey sich mit diesem Incel matcht, klingt ein packender Psychothriller an. Sonst hat die Inszenierung aber Hehreres im Sinn. Der chilenische Regisseur Pablo Larraín („Jackie“, „Neruda“) hat zwar Affinität zum Genre, ist aber fest im Kunstkino verankert. Er walzt die Mystery-Handlung über acht Folgen hinweg zu einer poetischen Meditation über Liebe und Erinnerung aus, ergeht sich in Rückblenden und Vorahnungen.
Und der Regisseur schwelgt in der verfeinerten Nobelästhetik prominenter Filmhandwerker. Starkameramann Darius Khondji (der Michael Hanekes „Amour“ fotografierte) und Ausstatter Guy Hendrix Dyas („Inception“) sorgen für eine kühle, ausdrucksstarke Bildsprache. Die Räume wirken immer etwas zu groß für die Menschen darin, alles hat einen leicht künstlichen Anstrich: Eine vom Schnee schlohweiße Trauerweide sieht aus wie eine Installation von Susanna Fritscher, Traumsequenzen mit einem Amphitheater voller Geister wie gruselige Modewerbung.

Ähnlich wie bei Mike Flanagans missglückter „Shining“-Fortsetzung „Doctor Sleep“ will der schräg-sentimentale Inhalt jedoch nicht recht in die stilsicher-sterile Vakuumverpackung passen. Was King an Stanley Kubricks kultiger Verfilmung seines Erfolgsromans ärgerte – der intellektuelle Nihilismus –, sollte im Sequel mit dem Humanismus des Autors versöhnt werden, sträubte sich aber gegen die Kurskorrektur. In „Lisey's Story“ unterläuft nun Larraíns Stilwille die Wirksamkeit von Kings düsterem Melodram. Das Resultat zieht sich – bestenfalls wie die Streicherlegatos des Soundtracks des britischen Elektronik-Komponisten Clark, schlimmstenfalls wie Kaugummi.

Nur selten schafft die Stimmung den Spagat, kippt ins Surreale, Somnambule wie bei David Lynch. Als verlässlicher Anker dient dabei nur die Hauptdarstellerin: Julianne Moore spielt hier glänzend auf, zeigt sich in ihrer ganzen Vielseitigkeit: mal strahlend vor Mitgefühl, mal schreiend vor Wut oder Schmerz, mal stark und souverän dem Schicksal die Stirn bietend.

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