Leitartikel

Warum die ÖVP jetzt doch ein Mitglied der Familie fallen lässt

Sebastian Kurz
Sebastian KurzAPA/ROLAND SCHLAGER
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Thomas Schmid ist für die ÖVP-Spitze zur Belastung geworden. Die Affäre sollte den Anstoß für eine Neustrukturierung der Staatsbeteiligungen liefern.

Der Rücktritt von Öbag-Chef Thomas Schmid überrascht nicht – wohl aber der Zeitpunkt: Was genau ist jetzt eigentlich passiert, das den Aufsichtsrat veranlasst hat, die Notbremse zu ziehen? Die Chats, in denen sich der Manager der Staatsbeteiligungen über den „Pöbel“ und über Flüchtlinge in Schlauchbooten lustig macht, sind doch schon seit einiger Zeit öffentlich. Zumal diese Chats zwar ungustiös, im Vergleich zu dem, was vorher schon bekannt war, aber von geringerer rechtlicher Relevanz sind.

Das eigentlich Problematische an der Causa Schmid ist dessen Bestellung zum Öbag-Vorstand. Schmid hat – und das ist gut dokumentiert – das Öbag-Gesetz wesentlich beeinflusst, die Ausschreibung für den Vorstandsjob auf sich maßgeschneidert und selbst den Aufsichtsrat ausgesucht, der ihn dann bestellt hat. Derartige Postenbesetzungen erinnern an das Prozedere in Ländern mit niedrigen rechtsstaatlichen Standards. Jedenfalls ist ein Aufsichtsrat am Gängelband des Vorstandes nicht sehr vertrauenserweckend – immerhin geht es um die Verwaltung staatlichen Vermögens. Politisch indiskutabel ist es ohnehin.

Für den Aufsichtsrat wäre das Bekanntwerden dieses Bestellvorgangs die letzte Chance gewesen, zu zeigen, dass er seiner Aufgabe gewachsen ist – und nicht „steuerbar“, wie Schmid bezeichnenderweise in Bezug auf eine Aufsichtsrätin geschrieben hat. Also nochmals: Warum glaubte man damals, den Vorstandsvertrag noch ein weiteres Jahr laufen lassen zu können, heute aber nicht mehr? Hat man etwa gehofft, die Diskussion werde sich ohnehin wieder beruhigen? Auch das ist schwer vorstellbar.
Einzig logische Erklärung: Die Abberufung Schmids zu diesem Zeitpunkt ist – wie schon dessen Bestellung – eine Entscheidung, die aus dem türkisen Machtzentrum verordnet wurde. Umfragen zeigen sinkende Werte für die ÖVP und desaströse Daten für den Parteichef: Sebastian Kurz sackt im Vertrauensindex ab. Er hat zwar immer noch eine große Anhängerschaft, mehr als die Hälfte der Befragten bewertet den Kanzler aber negativ, das ist der schlechteste Wert unter allen abgefragten Spitzenpolitikern.

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