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Baustelle der Zukunft: Alles Digitale „unter einem Dach“

Warum ist plötzlich die digitale Baustelle in aller Munde? Was darf man sich unter einer konsequenten, ganzheitlichen Digitalisierung von Bauprozessen vorstellen? Welche Rolle spielt dabei der Mensch und was hat das alles mit Umweltschutz zu tun? Antworten von Karsten Elles, Digitalisierungsexperte im Bauwesen und Market Development Manager bei Komatsu Europe.

Den medialen Hype rund um die digitale Fabrik ist man seit Jahren gewohnt, das Thema „digitale Baustelle“ scheint erst nach und nach präsenter zu werden. Warum ist es aus Ihrer Sicht ein dringliches

Karsten Elles: Die Weltbevölkerung steigt kontinuierlich an. Jeder benötigt Wohnraum, die Städte expandieren und somit auch die Nachfrage an Projekten in der Städtebauentwicklung. Gleichzeitig leidet die Baubranche unter einem dramatischen Fachkräftemängel. Gutes Personal ist entweder nicht zu bekommen oder sehr kostspielig. Unter Zeitdruck und mangels qualifizierter Arbeitskräfte steigt bei Projekten die Fehlerquote.
Das Baugewerbe ist zudem im Vergleich zu anderen Branchen nicht gerade für seine Produktivität berühmt. In diesem gesamten Kontext wächst der Bedarf an innovativen Technologien, um Prozesse in der Planung und auf der Baustelle zu optimieren. Eine konsequente Digitalisierung aller Prozesse ist ein Gebot der Zeit, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern. 

Wie lautet Ihre Vision zur digitalen Optimierung der Bauindustrie?

Unter Digitalisierung im engeren Sinn wird oftmals bloß die Überführung traditioneller Prozesse in digitale Prozesse verstanden, etwa der Übergang von Papierplänen zur 3-D-Simulation am Computer. Wenn man Personal, Maschinen und Material aber ideal einsetzen, Arbeitsbedingungen optimieren und Unternehmen erfolgreicher machen will, muss weiter gedacht werden. Ein Hin und Her zwischen digitalen Daten und haptischen Papieren würde alles nur unnötig verkomplizieren.
Was es braucht, ist die komplette digitale Transformation, bei der neue Internet-of-Things-Geräte und Apps die Digitalisierung des gesamten Bauprozesses ermöglichen, indem betriebsübergreifende Vorgänge miteinander verknüpft werden. Durch dieses Zusammenführen alles Digitalen „unter einem Dach“ erhalten alle am Projekt Beteiligten Zugriff auf die erforderlichen Daten. Um zu ermöglichen, dass Mitarbeiter an verschiedenen Orten gemeinsam an Projekten arbeiten, werden die entsprechenden Daten auf einer gemeinsamen Datenplattform in der Cloud verwaltet. Alle Daten aus Drohnenflügen, 3-D-Design, Projektmanagement, Vor-Ort-Einsätzen und täglichen Inspektionen werden kontinuierlich in der Cloud analysiert. Schlussendlich erhält jeder am Projekt Beteiligte dieselben Informationen aus einer einzigen Quelle. Prozesse auf der Baustelle werden also optimiert, indem die reale Baustelle mit ihrem digitalen Zwilling synchronisiert wird. Dadurch können deutliche Steigerungen bezüglich Sicherheit, Produktivität und Umweltschutz auf der gesamten Baustelle erreicht werden. Ich betone hier auch den Umweltschutz, da die Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung mit Ressourcenschonung einhergeht.

Welche Rolle spielen in diesem Konzept die intelligente Maschinenkontrolle und autonom agierende Maschinen?

Intelligente Bagger und Raupen, die effizient, präzise und sicher sind, und die dem Maschinisten aktiv helfen, das Richtige im ersten Versuch zu tun, sind schon seit Jahren im Einsatz und bringen enorme Produktivitätssteigerungen auf den Baustellen, je nach Anwendung von bis zu 30 Prozent. Diese hoch assistierten Systeme ergeben aber nur Sinn, wenn die dafür nötigen Daten komplett digital erzeugt und übertragen werden. Gleiches gilt für die Rückmeldung fertiggestellter Leistungen von autonom agierenden Maschinen. Die Entwicklung der Autonomie muss sukzessive mit der Entwicklung digitaler Baustellendaten verlaufen. Nur so kann das Potenzial von intelligenter Maschinenkontrolle und autonom agierenden Maschinen ausgeschöpft werden. Das Ergebnis ist dann die totale digitale Transformation der Erdbewegung. In dem Moment, in dem Maschinen den höchsten Autonomisierungsgrad und der Bauablauf die höchste Optimierungsstufe erreicht haben, ist ein Umfeld geschaffen worden, in dem die Baustelle sicher, effizient, intelligent und sauber sein wird.

Wie weit ist man heute von der Realisierung dieses integralen digitalen Konzepts noch entfernt?

Das ist weltweit sehr unterschiedlich und hängt auch davon ab, wie sehr die öffentliche Hand dahintersteht. Ein Vorzeigebeispiel ist sicher Japan. Man hat dort frühzeitig realisiert, dass die alternde Bevölkerung – in Japan sind 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung über 55 und älter – und die zurückgehende Geburtenrate zu einem massiven Arbeitskräftemangel führen. Bereits 2015 kündigte die japanische Regierung ihre i-Construction-Initiative an, die im Wesentlichen für den Einsatz von Informationstechnologie im Bauwesen, die Normierung der eingesetzten Spezifikationen und das Balancieren der Aufträge über das gesamte Jahr steht. Die Behörden beschlossen, mit fortschrittlichen Unternehmen aus der privaten Industrie zu kooperieren, um die Einführung von digitalen Technologien im Bauwesen zu beschleunigen und die Produktivität anzukurbeln. Auch kleine bis mittlere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen, die es sich nicht leisten können, die neuen Technologien selbst zu implementieren, wurden ermutigt, mit neuen und innovativen Ideen beizutragen. Mittlerweile arbeiten Regierung und Bauindustrie Hand in Hand und die digitale Revolution hat sich auf Tausende von Baustellen ausgebreitet.

Ist Europa Ihrer Ansicht nach bereit, diesen Weg in naher Zukunft ebenfalls zu gehen?

Es gibt auch in Europa jetzt schon Baufirmen aus dem größeren Mittelstand, die diesbezüglich hervorragen und die gesamte Supply Chain ihres Unternehmens durchleuchten. Aber der Grad der Digitalisierung ist in den Unternehmen noch sehr unterschiedlich. Und eine Baustelle kann natürlich auch nur so digital sein, wie es der Auftraggeber vorgibt oder lebt – das darf gern als Appell an die europäischen Regierungen verstanden werden. Fest steht: Über kurz oder lang kommt man an der integralen digitalen Ausrichtung nicht vorbei und sie wird in Zukunft immer stärker über den Geschäftserfolg von Bauunternehmen entscheiden.

Zusammengefasst: Welche Kernpunkte müssen Bauunternehmen auf den Baustellen der Zukunft erfüllen, um Erfolg zu haben?

Die Baustelle und die Baufirma der Zukunft werden sich meiner Meinung nach durch die Interpretation der folgenden Punkte differenzieren: schonende Nutzung der Ressourcen Mensch, Maschine und Material, Kollaboration und vernetztes Arbeiten, Digitalisierung und Automatisierung, Sicherheit, attraktiver Arbeitsplatz mit verbesserter Work-Life-Balance. Insgesamt geht es um ein cleveres Zusammenspiel von Mensch, Maschine und Material, von Hardware, Software und datengetriebenem Wissen.

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