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Cloud-Services: Datenverkehr mit reichlich Energie

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Das exponentielle Wachstum an Daten geht auch mit einem exponentiellen Wachstum beim Energieverbrauch einher. Bei Rechenzentren rückt daher die Energieeffizienz immer mehr ins Zentrum.

„Wenn das Internet ein Land wäre, würde es in der Rangliste der Stromverbraucher den dritten Platz belegen, also direkt hinter China und den USA“, sagt Gary Cook, Spezialist für digitale Technologien bei Greenpeace. Die Ursache liegt in den Rechenzentren, in denen die Datenspeicher-Server gelagert werden. Weltweit gibt es rund 45 Milliarden Server, sechs Mal mehr als Menschen. Energie verbrauchen sie beim Hochfahren und für die Kühlung. „Alle reden über Clouds. Das hört sich schön und sauber an. Doch diese Clouds werden in riesigen Gebäuden gelagert, die ausschließlich aus Servern bestehen und eine ungeheure Menge an Strom benötigen“, so Cook.

Laut Borderstep-Institut-Wissenschaftler Ralph Hintemann verbrauchen Rechenzentren in Deutschland aktuell 14 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr: „Das sind 40 Prozent mehr als vor zehn Jahren.“ Diese Entwicklung werde sich noch beschleunigen, da Cloud-Services daran sind, zur dominierenden Form der IT-Nutzung zu avancieren. Ob Nachrichten, Fotos, Videos oder Akten – all das verschwindet zunehmend in einer Cloud und belastet über den Umweg der Rechenzentren die Umwelt.

Wie das exponentielle Wachstum an Daten, das mit einem exponentiellen Wachstum an Energieverbrauch einhergeht, im privaten Umfeld zustande kommt, erläutert Steffen Holzmann, Green-IT-Experte bei der Deutschen Umwelthilfe, auf anschauliche Weise: „Betriebsausflug. 50 Leute sind unterwegs. Am Ende macht Herr Meier ein wunderschönes Foto, schickt es per E-Mail an alle 50 Leute. Das heißt: Es liegt dann in seinem Postfach, es liegt in 50 weiteren Postfächern, überall liegen fünf Megabyte für dieses Foto. Die Hälfte dieser Postfächer leitet das Foto automatisch an eine private E-Mail-Adresse weiter oder an Oma Hilde oder sonst jemanden. Es wird außerdem per Whats­­App geteilt und danach nochmal in der Cloud synchronisiert, weil das bei Whats­­App automatisch passiert. So werden aus fünf Megabyte Bild plötzlich bis zu einem Gigabyte Daten, die auf verschiedenen Serversystemen bereitgehalten werden müssen.“

Wer als einzelner Internetnutzer dazu beitragen will, Energie einzusparen, kann dies laut Holzmann übrigens auf einfache Weise tun: „Alte E-Mails löschen, Daten nicht mehr an so viele Stellen verteilen, sich von nicht benötigten Newslettern abmelden, Fotos und Videos statt in einer Cloud auf Speichermedien wie CDs, DVDs oder externen Festplatten speichern. Das sind Technologien, die Bibliotheken einsetzen, um Dinge zu archivieren, und das braucht auch wenig oder keine Energie.“ Als wesentlich komplexer stellt sich die Problematik auf Unternehmensebene dar, wenn Daten nicht bloß gespeichert, sondern auch analysiert und vor allem im IoT vernetzt werden – und wo man zunehmend mit dem Phänomen der energiefressenden Dark Data konfrontiert ist, also jenen Daten, die zwar produziert und gespeichert, aber nicht verwendet werden.

Energieeffizienz im Zentrum

Soll die vom Datenverkehr verursachte Umweltbelastung verringert werden, gilt es, den Hebel nicht nur bei Privatpersonen und Unternehmen, sondern auch bei den Rechenzentren selbst anzusetzen. Der grundsätzliche Wille dazu scheint bei den Betreibern vorhanden zu sein. Erst kürzlich haben 25 Unternehmen und 17 Verbände, darunter die führenden Cloud-Infrastrukturanbieter und Rechenzentrumsbetreiber in Europa, einen gemeinsamen Pakt für klimaneutrale Rechenzentren geschlossen. Geeinigt hat man sich auf eine Selbstregulierungsinitiative, um Rechenzentren in Europa bis 2030 klimaneutral zu betreiben. Wie das künftig gelingen kann, zeigen einige erfolgreiche Umsetzungsbeispiele aus Deutschland oder Österreich.

Im Rechenzentrum des TÜV Nord in Hannover, in dem Daten aus mehr als 70 Ländern verarbeitet werden, hat man bereits vor fünf Jahren die Serverräume umgebaut und verbraucht seitdem nur noch halb so viel Energie wie davor. „98 Prozent der Zeit kühlen wir das Rechenzentrum mit Freiluftkühlung. Dadurch fallen hohe Energiekosten für Klimaanlagen weg. Wird es im Sommer wärmer, kommt Verdunstungskühlung zum Einsatz: Die großen Kühlaggregate werden von außen mit einem kühlen Wasserfilm bespritzt. Die Verdunstung senkt dann die Temperatur im Serverraum“, erklärt Leroy Racette, Leiter des Rechenzentrums. Auf dem Gebäudedach sind zudem zwei Hybridkühler installiert, die die Wärme-Energie aus den Serverräumen an die Umgebung abgeben. Auf Heißwasser-Kühlung setzt man wiederum im Rechenzentrum im Eurotheum in Frankfurt am Main, in dem bis 2015 Teile der europäischen Zentralbank untergebracht waren. Die Rechenzentrumsabwärme wird von dem Hotel genutzt, das in den oberen Stockwerken des Hochhauses untergebracht ist.

In Österreich zählt das Raiffeisen Rechenzentrum, kurz RZZ, am Standort Raaba-Grambach in der Nähe von Graz zu den Vorreitern in Sachen Green IT. Bei der Stromversorgung des RZZ, das auf 4500 Quadratmeter Technikfläche mehr als 10.000 Server beherbergt, werden Fotovoltaik und Erdwärme genutzt. Alternative Energiequellen wie Brunnenwasser dienen der Kühlung. Die überschüssige Wärme, die im Rechenzentrum im Zuge des Serverbetriebs entsteht, wird zur Heizung des Bürogebäudes verwendet. Das Gebäude selbst wurde im Passivhausstandard errichtet. Gesetzt wird zudem verstärkt auf virtuelle Server- und Speicherinfrastrukturen. Die Virtualisierung von Rechenzentren liegt generell im Trend. Kunden, Diensten und Unternehmensanwendungen werden dabei keine physischen Maschinen bereitgestellt, sondern virtuelle Ressourcen, die genau die Leistung liefern, die benötigt wird. Das Ziel: die Absenkung der Anforderungen an Energieversorgung, Klimatisierung, Platzbedarf und Verwaltungsaufwand. 

Ökologische Alternative

Während die Mehrzahl der Rechenzentren-Betreiber auf intelligente Kühlsysteme und effektive Abwärmenutzung vertrauen, überrascht ein Dortmunder Start-up mit einer ebenso innovativen wie an sich naheliegenden Idee. „Für die Rechenleistung von zukunftsweisenden Technologien und Cloud-Services ist vor allem eines erforderlich: Energie. Was liegt näher, als ein energieintensives Rechenzentrum direkt in eine Windenergieanlage zu bauen? Platz, Infrastruktur, grüner Strom, direkt vor Ort produziert und genutzt: das ist Green IT“, präsentiert Jan Schriewer, CEO des IT-Systemhaus Green IT Systems, das Konzept der ökologischen Alternative zum konventionellen Rechenzentrum.

„Mit der Green IT Cloud schaffen wir einen smarten Ansatz, um die Stromversorgung unserer Cloud-Dienste aus erneuerbaren Energien zu speisen.“ Software-as-a-Service-Anwendungen für E-Mail, Telefonie, Kollaboration und Cybersecurity werden aus einem privaten Rechenzentrum betrieben, das sich direkt im Turm einer Windkraftanlage befindet. Vorhandene Gebäude werden somit genutzt, die in ihrer bestehenden Architektur im Innenraum ausreichend Platz für IT-Installationen bieten. In den massiven Turm einer Windkraftanlage integriert verspricht die Cloud-Lösung den Schutz der Systeme vor natürlichen oder technischen Eingriffen wie Feuer, elektromagnetischen Störungen oder Zugriffen von Dritten. Der benötigte Strom wird nicht nur zu über 90 Prozent direkt aus Windenergie bezogen, sondern auch genau dort verbraucht, wo er erzeugt wird – eine Zero-Emission-Lösung. Da teure Transportwege entfallen, zahlen Abnehmer zudem einen deutlich niedrigeren Kilowattstundenpreis.

„Digitalisierung kann nur dann umweltgerecht gestaltet werden, wenn Anlagen und Infrastrukturen wie Rechenzentren auf eine CO2-freie Stromversorgung umgestellt werden“, heißt es dazu passend in der Umweltpolitischen Digitalagenda des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Der von der EU geförderte Plan, bis 2030 europaweit klimaneutrale und nachhaltige Rechenzentren zu schaffen, wäre ein entscheidender Schritt auf diesem Weg. Zu verhindern gilt es laut Experten, dass ein exponentielles Datenwachstum einen ebensolchen Anstieg beim umweltgefährdenden Energieverbrauch zur Folge hat.

Gründe für Skepsis

Zweifel, ob der Umweltspagat gelingt, nähren auf digitalen Technologien beruhende Systeme wie jene der Kryptowährungen. Als ressourcenschonend haben sie sich bislang nicht erwiesen. Das Mining von Bitcoins und Co. funktioniert mit Strom, basierend auf der Blockchain als digitaler Infrastruktur, also einem Datennetzwerk aus vielen Computern. Die von den Serverfarmen verbrauchte Energie soll möglichst billig sein, um die Renditen im Geschäftsmodell hoch zu halten. Das führt dazu, dass mehr als 70 Prozent der weltweit tätigen Bitcoin-Rechner in China stationiert sind, wo der günstige Strom vornehmlich aus der Umwelt abträglichen fossilen Energieträgern gewonnen wird.

In einer im April 2021 erschienenen Studie im Fachjournal „Nature Communications“ untersuchten chinesische Forscher die Kohlenstoffemissionsflüsse des Bitcoin-Blockchain-Betriebs in China. Ihr simulationsbasiertes Emissionsmodell verheißt der Umwelt nichts Gutes: „Sieht man von möglichen politischen Interventionen ab, wird der jährliche Energieverbrauch der Bitcoin-Blockchain in China voraussichtlich im Jahr 2024 mit 296,59 Twh seinen Höhepunkt erreichen und dabei 130,50 Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen erzeugen. Im internationalen Vergleich würde dieser Emissionsausstoß den gesamten jährlichen Treibhausgasausstoß der Tschechischen Republik und Katars übersteigen.“

„Die Tatsache, dass Bitcoin-Schürfen, Streaming oder Googeln unglaublich viel Strom braucht, ist wenigen bekannt. In der Öffentlichkeit ist das Bewusstsein für die negativen Umweltauswirkungen der Digitalisierung wie der hohe Energie- und Ressourcenverbrauch eben kaum vorhanden“, bemerkt zu diesem Thema Michael Nentwich, Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ITA). Langfristig sei der Energie- und Ressourcenverbrauch der Digitalisierung ein Grund zur Besorgnis. Findet man dazu keine tauglichen Lösungen, werde sich das Weltklima in einer Weise ändern, die auch soziale Konsequenzen hat. „Vermutlich haben Big-Data-Analysen ein Potenzial beim Erkennen und Erfassen von Problemen, und vielleicht wird es möglich sein, energie- und ressourcenschonendere Verfahren zu entwickeln. Auch im Mobilitätssektor gibt es Potenzial für Energieeinsparungen. Rebound-Effekte könnten aber in allen Bereichen das Gegenteil bewirken“, so Nentwich, der sich insgesamt skeptisch gibt: „Ich bezweifle, dass die Digitalisierung globale Umweltprobleme löst und dass Rebound- und Nachholeffekte der bislang weniger entwickelten Länder aufgewogen werden können. Die Umweltprobleme bekommen wir nicht durch neue Technologien, sondern durch Lebensstiländerungen und politische Rahmenbedingungen in den Griff. Verhaltensänderungen von Individuen allein sind nicht die Lösung. Wir brauchen vorausschauende Politiker.“

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