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DIGITALISIERUNG wird abgelöst von KI und Robotik

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Digitalisierung braucht viel Strom. Daher müssen wir überlegen, wie man Energie grün erzeugen kann, sagt Zukunftsforscher Lars Thomsen. Gleichzeitig helfen KI und Robotik, Umweltprobleme zu lösen.

Herr Thomsen, Sie sind einer der weltweit führenden Trend- und Zukunftsforscher und setzen sich auch mit digitalen Technologien auseinander, die Nachhaltigkeit und Umweltschutz unterstützen. Was sind die großen Bereiche, die zu mehr Green Tech beitragen?

Lars Thomsen: Ich bin sehr dankbar, dass Sie diese Frage stellen, denn tatsächlich spannend sind die Querverbindungen oder Wechselbeziehungen zwischen Trends. Oftmals machen wir den Fehler, dass wir unseren Fokus nur auf einen Trend legen, auf Digitalisierung oder künstliche Intelligenz oder Umweltschutz oder Wasserknappheit oder Demografie, aber die hängen alle sehr stark miteinander zusammen. Digitalisierung hat viel mit Energie zu tun. Das heißt, wir müssen uns generell überlegen, wie können wir den Strom für die voranschreitende Digitalisierung grün erzeugen. Gleichzeitig helfen uns Digitalisierung und künstliche Intelligenz, eine ganze Reihe von Umweltproblemen, die wir bislang nicht richtig lösen konnten, viel effizienter zu lösen. Ich gebe ihnen ein kleines Beispiel: Im Moment hört man relativ viel von solchen Themen wie Vertical Farming, wo man versucht, computergesteuerte, vertikale Gewächshäuser in den Städten entstehen zu lassen. Dafür braucht man viel Rechenleistung und auch künstliche Intelligenz, um zu verstehen und zu optimieren, was Pflanzen an Licht, an Wasser, an Nährstoffen und an Umweltbedingungen benötigen. Und letztendlich ist es auch nur möglich mit einer starken Digitalisierung das Thema Landwirtschaft ökologisch zu gestalten. Biologische Landwirtschaft und Digitalisierung schließen einander nicht aus.

Green Deal ist ein riesiges Thema. Was sind die Stellschrauben in der Digitalisierung für eine Reduktion der CO2-Emissionen?

Beim Green Deal geht es sehr stark um Energieerzeugung und Energieverwendung. Und tatsächlich befinden wir uns hier an einem Wendepunkt, an dem eine Kilowattstunde elektrischer Strom günstiger mit regenerativen Energien erzeugt werden kann als mit fossilen Brennstoffen. Der Green Deal versucht möglichst viele Sektoren, für die wir Menschen Energie benötigen, auf erneuerbare Energien umzustellen. Und Strom scheint dabei eine sehr wichtige Rolle zu spielen. Es wird bei der Stromerzeugung zu einer Umstellung auf Solarenergie, Windkraft, Wasserkraft, also wiederkehrende Energien, kommen. Gleichzeitig werden dabei Milliardenmärkte, die von der Öl- und Gasproduktion und Verarbeitungen leben, disruptiert. Und auf einmal kann ein Land wie Österreich oder Deutschland oder die Schweiz viel unabhängiger agieren, weil sie die Energien im eigenen Land haben. Dadurch entsteht auch ein riesiges Innovationsfeld, ob das nun Energieerzeugung oder verschiedene Formen von Energiespeicherung sind. Das wird weltweit ein riesiger Markt werden, bei dem auch kleinere Länder wie Österreich eine globale Chance mit Innovationen in dem Bereich haben.

Bei erneuerbaren Energien gibt es das Problem, dass viele dieser Quellen, Beispiel Solarenergie, nicht ständig verfügbar sind.

Genau, das ist wieder ein gutes Beispiel für Cross-Impact, wie wir das nennen. Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen war konstant, denn den Kraftwerken ist es egal, ob es hell oder dunkel ist oder ob Wind weht. Bei den Erneuerbaren haben wir die Herausforderung, dass es manchmal zu mehr Erzeugung als Bedarf oder umgekehrt zu mehr Bedarf als Erzeugung kommt. Das heißt, wir benötigen einerseits mehr Speicherkapazitäten und andererseits variable Preise, denn Preise können Märkte sehr effizient steuern. Bei einem Überschuss muss Strom billiger sein und bei einem Mangel teurer. Das würde dazu führen, dass ich beispielsweise meinem Elektroauto sage: Du lädst auf, wenn der Strom unter 10 Cent pro Kilowattstunde ist, und stoppst die Ladung, sobald der Preis über 20 Cent steigt, außer ich plane eine Autofahrt. Das lässt sich mit Blockchain und Bezahlung via Kryptowährungen hervorragend steuern. Damit würde man das Energienetz optimieren.

Wenn es beispielsweise um Mobilität geht, dann spielt ja nicht nur der Antrieb eine Rolle, sondern letztlich auch Möglichkeiten, die Mobilität zu optimieren. Wie schnell entwickeln sich hier die Technologien?

Der Tipping-Point wäre das vollautonome Fahren, also wenn ein Fahrzeug tatsächlich ohne Fahrerinnen und Fahrer auskommt. Das wird in den 2020er-Jahren noch passieren, dass die Technologie so weit ist, dass ein Fahrzeug genauso gut oder sogar deutlich besser als ein durchschnittlicher Mensch ein Auto durch komplexe Verkehrssituationen bewegen kann. Dann wird es auch zu viel mehr Carsharing kommen. Aber neben der reinen Mobilität für Personen spielt autonomes Fahren auch bei der Logistik eine enorme Rolle. Nehmen wir als Beispiel einen Paketdienst. Da gibt es noch sehr große Ineffizienzen in diesem System. Es gibt viele Prozesse, wo ein Paket umgelagert wird in ein Auslieferungslager und dann wieder eingepackt wird und dann, wenn es niemand annimmt, geht es zurück und kommt zu einem neuerlichen Zustellversuch. Hier wird künstliche Intelligenz und Robotik für starke Veränderungen sorgen. Ich gehe davon aus, dass es im Jahr 2030 komplett normal sein wird, dass ein Großteil der Päckchen und Pakete, die man täglich bekommt, von roboterisierten Fahrzeugen und Robotern zugestellt wird. Und das hat tatsächlich einen starken Einfluss darauf, dass wir den CO2-Footprint pro Kilogramm beim Transport deutlich senken können.

Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Umwelttechnologien. Da haben Sie die Digitalisierung der Landwirtschaft erwähnt. Wo sehen Sie da die Trends für eine nachhaltigere Zukunft?

Das ist ein ganzer Blumenstrauß verschiedener Technologien, die zum Einsatz kommen können. Das fängt mit autonomen Traktoren an, geht über die Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes mittels künstlicher Intelligenz bis hin zu vielen Sensoren, die die UV-Einstrahlung und die Trockenheit des Bodens messen, um die Bewässerung zu optimieren. So kann Technologie helfen, Ressourcen zu sparen. Aber wenn wir von Landwirtschaft und Ressourcensparen reden, müssen wir auch über Tierhaltung reden. Ich selbst bin kein Vegetarier, aber ich bin mir durchaus bewusst, dass ein Kilogramm Rindfleisch über 20.000 Liter Frischwasser braucht, mal ganz abgesehen vom Tierwohl und vom Food Waste, dem Methan und von den Ackerflächen, die wir allein für die Futtermittel der Tiere benötigen. Und hier entwickeln sich gerade sehr spannende Dinge. Technologie hilft uns dabei, pflanzenbasierten Fleischersatz herzustellen, der eine hohe Qualität hat. Impossible Foods aus den USA war eine der ersten Firmen, die auf der CES, der Consumer Electronic Show, die ja eigentlich eine Tech-Show ist, ihre Fleischersatzprodukte präsentiert hat.

Aber wie konkret hilft da die Digitalisierung dabei?

Also einerseits braucht man in der Forschung und Entwicklung künstliche Intelligenz, um die verschiedenen Kombinationen von Eiweißen in Bezug auf Aufbau und Struktur zu analysieren und zu simulieren, und andererseits, um eine Antwort zu finden, wie wir das auf eine andere Art und Weise herstellen können. Und wenn wir ganz Hightech setzen: es gibt Bioreaktoren, die In-vitro-Fleisch herstellen, also Fleisch, das letztendlich nicht im Tier wächst, sondern in einem Bioreaktor, wo die gleichen Prozesse eingesetzt werden wie bei der Zellteilung in einem Muskel. Die große Idee ist, dass wir tatsächlich zukünftig ein wunderbares Hüftsteak oder ein Schweinefilet wachsen lassen können, indem wir einfach mittels Gentechnologie den Prozess der Zellteilung auch außerhalb des Tieres hinbekommen. Und das Schöne wäre, dieses Fleisch hätte eine gleichbleibende Qualität und könnte so zusammengesetzt werden, wie man gern möchte, was den Fett- oder Muskelfaseranteil betrifft. Diese Technologien stehen erst am Anfang, aber das wird einen Paradigmenwechsel auslösen.

Digitalisierung hat sich ja enorm beschleunigt, wo sehen Sie die nächsten Sprünge auf uns zukommen?

Neben der künstlichen Intelligenz ist es die Robotik, die jetzt die Digitalisierung ablöst. Weil mit der Digitalisierung sind wir eigentlich durch.

Das müssen Sie mir bitte erklären.

Nehmen Sie Ihren Haushalt, wo haben wir im Haus noch analoge Dinge? Vielleicht hat jemand noch aus nostalgischen Gründen einen Plattenspieler, aber das ist genauso, wie wenn man einen Oldtimer in der Garage hat. Eigentlich haben wir alles, was zu digitalisieren ist, digitalisiert. Digitalisierung heißt im Grunde genommen, von einer Wellenform auf Nullen und Einsen zu gehen. Künstliche Intelligenz ist ja viel mehr, weil sie uns Menschen simuliert. Wir Menschen kommen auf die Welt als Säugling und können weder sprechen noch laufen noch Muster erkennen. Das müssen wir alles erst lernen, genau wie die künstliche Intelligenz die Mustererkennung lernen muss. Die gleichen Mechanismen setzen wir in der künstlichen Intelligenz ein, um Computersysteme zu trainieren. Wird zum Beispiel ein Roboter neu konstruiert, der zwei Beine hat und darauf balancieren können muss, dann kann der am Abend noch nicht laufen und über Nacht lernt er aufzustehen und zu gehen, indem er einige Male hinfällt und wieder aufsteht, bis er es beherrscht. Das ist praktisch das Gleiche, was beim Menschen passiert. Das ist enorm, weil das ist ein komplett neues Paradigma, wie wir Computer verstehen. Bislang konnten Computer sehr schnell eine Excel-Tabelle rechnen, aber die Befehle dazu musste ich selbst eingeben. Jetzt lernt der Computer, was ich brauche, und sagt, ich habe dir zugeschaut und habe es verstanden. Ich frage dich nur noch bei den wichtigen Dingen. Und das wird jetzt die 2020er-Jahre stark prägen.

Jetzt muss ich logischerweise nachfragen, was passiert, wenn wir den Quantencomputer im Einsatz haben?

Ich habe befürchtet, dass Sie mir die Frage stellen und ich kann sie nicht genau beantworten, weil das ist noch eine Dimension höher. Mich interessiert im Moment die Frage, wie kann KI uns dabei helfen, die Zeitfresser zu vermeiden, also die täglichen Routinen, die wir machen, die aber unproduktiv sind. Quantum Computing wird dann noch mal eine ganz neue Dimension der Geschwindigkeit haben. Damit werden wahrscheinlich eine ganze Reihe von herkömmlichen menschlichen Berufen oder Aufgaben ersetzt. Damit stellt sich ein ganz neues Thema, nämlich die Frage, wie wir Arbeit neu definieren. Ich wage noch nicht einmal eine Prognose, wie sich unsere Gesellschaft aufgrund dieser Trends verändern wird. Ich weiß nur, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir Arbeit künftig entlohnen und wie wir die Werte unserer Gesellschaft umbauen.

Lars Thomsen

Trend- und Zukunftsforscher

Lars Thomsen, geboren 1968 in Hamburg, gilt als einer der einflussreichsten Trend- und Zukunftsforscher mit besonderer Expertise in den Bereichen Energie, Mobilität und Smart Networks. Seit seinem 22. Lebensjahr berät er als selbständiger Unternehmer Firmen, Konzerne, Institutionen und regierungsnahe Stellen in Europa bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien und Geschäftsmodellen. Mittlerweile gehören mehr als 800 Unternehmen zu seiner Referenzliste. Rund 30 Prozent seiner Zeit verbringt er auf Forschungsreisen und er ist Mitglied zahlreicher Thinktanks sowie der World Future Society in Washington, D. C. Er lebt in der Schweiz.

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