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Die Vision vom smarten Haus mit Öko-Intelligenz

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Smart Homes sorgen für Nutzerkomfort und Effizienz. Aber wie sieht es mit dem Umweltschutz aus?

Es ist nicht bloß der Komfort, den Anbieter von Smart-Home-Lösungen anpreisen. Versprochen wird den Nutzern auch, dass die intelligenten Haushaltsgeräte und Kommunikationstools entscheidend dazu beitragen, Energiekosten einzusparen. Der ökologische Fußabdruck des Wohnens soll kleiner werden. Bei etlichen Anwendungen scheint dies auf den ersten Blick auf der Hand zu liegen.

Als Kernstück eines nachhaltigen Smart Home gilt die intelligent per App oder Sprache gesteuerte Heizung, die mit Wetter-Apps, Bewegungsmeldern und weiteren Smart-Home-Komponenten interagiert. Integrierte Wetterstationen adaptieren das Heizverhalten an die Witterung, kommunizierende Fenstersensoren regulieren die Heizung automatisch, wenn gelüftet wird. Die App-Steuerung aus der Ferne erweist sich als sinnvoll, wenn man früher oder später als geplant nach Hause kommt und von unterwegs die gewünschte Temperatur einstellen will. Die Thermostate funktionieren auch mit mehreren Bewohnern, die ihr Handy per App mit der Heizungssteuerung koppeln. Einen Zusatznutzen stiften Geofencing-fähige Thermostate (Geo steht für geografisch, fence für Zaun). Mit ihnen lassen sich Wohnareale definieren, um An- und Abwesenheit zu registrieren. Verlässt jemand das Haus oder einen der definierten Bereiche, wird die Steuereinheit per GPS informiert und die Abwesenheit führt vollautomatisch zu einer Temperaturabsenkung – bzw. vice versa, wenn man sich Haus oder Wohnbereich annähert. Geheizt wird nur, wenn der Hausbenutzer wirklich anwesend ist. Das senkt die Kosten, spart Energie und schont die Umwelt.

Als besonders effizient erweist sich die Heizungssteuerung in Kombination mit einem smarten Beschattungssystem. Intelligente Jalousien, Rollläden und Markisen werden dabei mit Sonnenstand-Sensoren und Zeitschaltuhren ausgestattet. Im Sommer bewahrt das System zeitpunktgenau vor einer Überhitzung der Räume, im Winter isoliert es das Gebäude und hält die Wärme im Innenraum. Beschattungsgruppen können in Abhängigkeit von der Ausrichtung der Zimmer erstellt werden. Im nach Osten orientierten Schlafzimmer fährt das Beschattungselement, das mit dem Wecker synchronisiert wurde, rechtzeitig in die Höhe, um Licht einzulassen. Die App-Steuerungsoption sorgt außerdem dafür, dass auf besondere Situationen reagiert werden kann, etwa wenn Sichtschutz gewünscht ist. Insgesamt ist der Wohnraum warm oder kühl, je nach Wunsch. Das hilft, energieeffizient zu agieren und Heizelemente oder Kühlgeräte einzusparen.

Energiespar-Features bei Licht und Wasser

Auch in Sachen Beleuchtung, die zu den größten Stromverbrauchern im Haushalt zählt, lässt sich mit smarten Lösungen einiges bewirken. Schließlich geht es nicht nur um die Inszenierung von Lichtstimmungen, sondern ebenso – in vernetzter Kombination mit Verschattungssystemen, Dimmschaltern und Bewegungsmeldern zur Detektion von An- und Abwesenheit – um energieeffiziente Lichtregulierung. Dass die intelligente Steuerung sowohl per App als auch über Sprachassistenten wie Alexa, Google Assistant oder Siri funktioniert, trägt zum Benutzerkomfort bei. Was aus Energie- und Kostensicht zählt, ist, dass Lampen nur dann brennen, wenn sie wirklich benötigt werden.

Neben Heizungs-, Verschattungs- und Lichtsteuerungen gibt es noch zahlreiche andere smarte Energiespar-Features. Intelligente Kühlschränke etwa passen ihre Kühlleistung an den Füllstand an, während schlaue Wasch- oder Trockenmaschinen in Abhängigkeit vom selbsttätig ermittelten Energie- und Waschmittelbedarf ihrer Aufgabe nachgehen. Einsparpotenzial ist ebenfalls bei allen Wasserverbrauchsgeräten gegeben, vom Geschirrspüler bis zum Duschkopf. Letzterer scheint den Innovationsgeist von Herstellern besonders anzuregen. Die am Markt befindliche Palette reicht von Duschköpfen, die dank Bewegungssensoren den Durchfluss des Wassers in Abhängigkeit von der Entfernung zum Körper regulieren, bis hin zu Duschköpfen mit eingebauten LED-Lichtern, die ab einer gewissen verbrauchten Wassermenge den Benutzer mit Lichtsignalen darauf hinweisen. Die entsprechende App zeigt im Anschluss Verbrauch und Kosten an. Laut Hersteller soll dies eine Wasser- und Energieersparnis von bis zu 50 Prozent bringen. Ähnliches verheißen Smart-Gardening-Anlagen, die die Bewässerung auf die Bodenfeuchte abstimmen. Rasen und Pflanzen werden somit nur dann mit Wasser versorgt, wenn es tatsächlich vonnöten ist.

Mit dem Bus zum Smart Home

„Das smarte Haus bietet im Idealfall Komfort auf höchstem technischem Niveau, um den Bewohnern Zeit und Geld zu sparen. Grundlage dafür ist eine perfekte Vernetzung und die intelligente Kommunikation“, sagt Norbert Ahammer, Geschäftsführer des österreichischen Smart-Home-Spezialisten Siblik. Für die intelligente Steuerung sorgt im Normalfall ein Bus-System. Der „Bus“ ist eine Datenleitung, die viele Komponenten hintereinander verbindet. Die Daten können an jeder „Daten-Haltestelle“ auf- oder abspringen. Bus-Systeme funktionieren auch ohne zentrale Steuerungslogik. Für eine intelligente Hausautomation sorgt aber in der Regel ein Smart-Home-Server. „Wichtig ist es, ein System zu haben, das Gewerke unterschiedlicher Hersteller miteinander vernetzen kann und so die Problematik von nicht interoperablen Insellösungen löst“, betont Ahammer. Als Klassiker unter den flexiblen Systemen gilt das KNX-Bussystem, das rund 500 Hersteller weltweit vereint, deren Produkte alle dieselbe Sprache sprechen. Möglich wird dies durch die Standardisierung aller Steuergeräte (Aktoren) und Sensoren und deren Kommunikation über den Bus. Jede einzelne Komponente lässt sich im eigenen Programmiersystem erfassen und so in jedes Smart-Home-Steuerungsprojekt integrieren. Auch für die Automatisierung und Visualisierung von Abläufen im Haus gibt es eine Vielzahl von Lösungen, von denen eine ganze Reihe in der Systemdatenbank erfasst ist. „Welche Aktionen erfolgen sollen, lässt sich durch Programmierung der Anlage flexibel festlegen. Belüftung, Alarmanlage, Jalousie bzw. Beschattungsanlagen, Beleuchtung und Wetterstation können so über ein einheitliches Netz kommunizieren und selbständig auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren“, erläutert Ahammer. Zusätzlich ist es möglich, über Gateways weitere Gewerke einzubinden.

Achtung vor dem Rebound

Doch die Rechnung mit den vermeintlich offenkundigen Vorteilen, die von der Smart-Home-Industrie propagiert werden, ist nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn während die smarte Technik auf der einen Seite Einsparungen ermöglicht, steigert sie auf der anderen Seite den Stromverbrauch – und zwar umso stärker, je ausgeprägter die Vernetzung ist. Bei KNX-Bussen etwa ist pro Aktor oder Sensor mit fünf bis acht mA Strombedarf zu rechnen. Der Energieverbrauch wächst also mit zusätzlichen Geräten, die für das Systemnetzwerk notwendig sind, und durch die permanente Verbindung mit dem Internet, den Stand-by-Betrieb, die Nutzung von Streamingdiensten und Sprachassistenten. Und selbst wenn stets aktuelle Geräte relativ gesehen sparsamer sind, verbrauchen sie durch ihre höhere Leistung effektiv mehr Strom.

Ins Kalkül muss man zudem den sogenannten Rebound-Effekt ziehen. Die Rede ist davon, wenn Technologien die Einsparung von Energiekosten erlauben, das eingesparte Geld aber für zusätzlichen Konsum eingesetzt wird, der zu Umweltbelastungen führt. Im Extremfall werden die Umweltentlastungen überkompensiert. Im Smart Home tragen Geräte zu einem Rebound beim Energieverbrauch bei, indem sie bisher nicht mögliche Nutzungen ermöglichen. Denkbare und realistische Szenarien gibt es genug: Das Öffnen und Schließen von Rollläden bei Ferienabwesenheit, die Beleuchtung von Räumen nach Zeitplan und die verstärkte Nutzung von energieeffizienten LED-Lampen, das Vorheizen von Räumen „von unterwegs“ etc. Wie hoch der Rebound sein kann, zeigen die Ergebnisse eines deutschen Feldversuches aus dem Jahr 2018 mit 120 Haushalten. Dabei wurden Heizenergieeinsparungen von bis zu 30 Prozent durch Smart-Home-Anwendungen mit Energiebezug (insbesondere smarte Heizkörperthermostate) ermittelt und zugleich Strommehrverbräuche von bis zu 27 Prozent festgestellt.

Leicht positive Klimabilanz

Eine umfassende Untersuchung, in welchem Verhältnis die potenziellen Energieeinsparungen durch intelligente und vernetzte Geräte in Privathaushalten zu dem erhöhten Stromverbrauch stehen, den ihr Einsatz verursacht, wurde 2019/2020 vom deutschen Öko-Institut durchgeführt (im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW). „Unsere Studie adressiert explizit die Smart-Home-Anwendungen und fokussiert dabei auf den Aspekt Energieverbrauch in der Nutzung. Berücksichtigt wurden der Stromverbrauch ab Netz für die Nutzung von smarten Geräten, zentralen Steuergeräten und Nutzerschnittstelle“, erklärt Mitautor Jens Gröger. Nicht einbezogen wurden Router und die weitergehende Netzinfrastruktur. Ebenfalls außen vor blieben die für den Betrieb benötigten Batterien sowie die Anschaffungskosten für die Systeme. Für das Klima lässt sich laut Studienautoren ein spürbar positiver Effekt verzeichnen. Mit einem vernetzten Zuhause können Haushalte im Eigenheim ihren CO2-Ausstoß um bis zu circa zehn Prozent senken. Bei einer Wohnung im Mehrfamilienhaus ermöglicht das Smart Home noch eine Reduzierung von bis zu rund sechs Prozent – trotz erhöhten Stromverbrauchs. Klare Vorteile, sowohl aus Umwelt- als auch aus Kostengründen, bringt es den Verbrauchern übrigens, wenn smarte Anwendungen verschiedener Hersteller interoperabel sind und Haushalte nicht mit mehreren Steuereinheiten ausgestattet werden müssen.

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