Gastkommentar

Religiöse Vermessenheit

Die Präsentation der Islam-Landkarte kartografierte vor allem eines: identitätspolitische Begehrlichkeiten.

Ein Staat, für den Weltanschauung Privatsache ist, privilegiert oder diskriminiert nicht nach Religion, sondern steht ihr in seinen Gesetzen indifferent gegenüber. Auf diese Ausgestaltung größtmöglicher Glaubensfreiheit verzichtet Österreich und pflegt das sogenannte kooperative Modell aus Republik und Religion. Religiöse Weltanschauungen werden gesamthaft bevorzugt, manche sind sogar gesetzlich anerkannt und als Staatsreligionen privilegiert. In dieser ideologischen Super-League – in der es primär auch um Geld geht – steigt der Islam trotz seiner Größe eher schlecht aus. Von den 15 Milliarden Euro an religiösen Steuerprivilegien, die das Finanzministerium unlängst benannte, können islamische Einrichtungen nur träumen. Mit dem neuen Islamgesetz von 2015 wurde der organisierte Islam in Österreich zudem umfassend neu politisiert – mit dem Versuch, über die IGGÖ eine steuerbare Organisation zu festigen, die sich vom staatsreligiösen Islam der Ursprungsländer absetzt.

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Karte und Gebet

Prima vista klingt es paradox, dass eine Religion, die aus demokratischer Sicht als überdurchschnittlich problembehaftet angesehen wird, überhaupt privilegiert wird. Aber dieses Entgegenkommen geschieht nicht ohne Grund: Das kooperative Modell besteht aus Rechten und Pflichten und soll den anerkannten Religionen ein gewisses Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht abringen. Dazu zählt im weiteren Sinn auch die Erstellung der kritisierten Islam-Landkarte der Uni Wien, die recht unspektakulär öffentliche Daten zusammenfasst. Ihre Nutzwertarmut ist sicher diskutabel, ebenso der Umstand, dass nur der Islam dieser speziellen Form der Erfassung unterliegt. Ein derartiges Verzeichnis ist trotzdem nicht dazu geeignet, eine gesellschaftliche Spaltung auszulösen. Ihre Präsentation durch Integrationsministerin Susanne Raab erfolgte aber ohne nachvollziehbaren Zweck. Darin ein Service zu sehen, das eine Unterscheidung zwischen politischem Islam und Religion für eine breite Öffentlichkeit erkennbar machen soll, geht an der Realität vorbei. Den unpolitischen Islam gibt es nur in den Köpfen seiner Anhänger, auf der Ebene des aufgeklärten laizistisch eingestellten Individuums, aber nicht in organisierter Form.

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