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Smart Building: Wenn sich Ökonomie und Ökologie die Hand reichen

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Bürokomplexe und Gewerbeliegenschaften werden zusehends smarter. Die Entwicklung von Smart Buildings steht gänzlich im Zeichen maximaler Gebäudeeffizienz und Nachhaltigkeit.

Den Kern eines intelligenten Gebäudes bildet die Datenerfassung, -verarbeitung und -nutzung. Gebäude mit einer digitalen Infrastruktur sind in der Lage, Betriebsdaten zu erheben und zu sammeln und verfügen über die notwendige Konnektivität, um die Daten zu analysieren, zu interpretieren und zu teilen. Dafür braucht es Sensoren, die Gebäudedaten erfassen, Aktoren, die anhand der Daten und Analysen Aktionen auslösen, Netzwerkstandards für die Datenübertragung und eine zentrale Steuerungseinheit. Das Internet of Things – also jenes Netzwerk, in dem mit dem Internet verbundene Geräte über Kommunikationsprotokolle Daten austauschen und Anweisungen ausführen können – wird zum Building Internet of Things, kurz BIoT. Ein Gebäude darf als intelligent bezeichnet werden, wenn es seine Umgebung auf diesem digitalen Wege „versteht“, kommuniziert, lernt und sich anpasst. Am Ende des Tages dient die intelligente Dateninfrastruktur der Effizienzsteigerung im Betrieb, von der sowohl die Stakeholder als auch die Umwelt profitieren sollen. Ökonomie und Ökologie reichen sich dabei idealerweise die Hand.

Digitaler Gebäudezwilling

Eine zentrale Rolle kommt in diesem Kontext dem digitalen Gebäudezwilling zu. Verstanden wird darunter ein virtuelles Gebäudemodell, das laut Peter Löffler, Head of Innovation bei Siemens Smart Infrastructure, in drei Bereichen des Gebäudelebenszyklus zum Einsatz kommen kann: in der Planung, im Bau und im Betrieb: „In der Planungsphase erfasst der digitale Zwilling alle statischen Daten zum Gebäude, beispielsweise die Größe der Grundfläche, Anzahl von Räumen, Fenster, Verkabelung, verbaute Technik und verwendete Baumaterialien.“ Mittels Visualisierung und Simulation kann der Entwurf des Gebäudes angepasst werden. Dabei lassen sich Aspekte wie Evakuierungsplanung, Energieverbrauchsprognosen und optimierte Raumaufteilung berücksichtigen. In der Bauphase wiederum helfen diese Informationen, die Projektabwicklung zu beschleunigen und die Konstruktionseffizienz zu verbessern. „Außerdem ermöglichen diese Daten die Visualisierung, Projektierung, Inbetriebnahme und Simulation des Systemverhaltens sowie maschinelles Lernen durch künstliche Intelligenz“, so Löffler. In der Betriebsphase schließlich helfe der digitale Zwilling Gebäudebetreibern und Facility-Managern, die Betriebseffizienz zu verbessern, prädiktiv Wartungsmaßnahmen durchzuführen und – ausgehend von dynamischen Simulationen – Verbesserungen vorzunehmen.

Ein großer Vorteil des digitalen Zwillings liegt laut Löffler darin, dass er eine Datenbank für das gesamte Gebäude produziert – eine sogenannte Single Source of Truth: „In der Vergangenheit wurde für jede Anwendung oder Funktion eine separate Datenbank erstellt. Manche Daten waren gleich, andere unterschiedlich, und wieder andere sogar widersprüchlich. Der digitale Zwilling löst dieses Problem, denn mit ihm entsteht eine einzige Datenbank, auf die sich alle Anwendungen stützen.“ Wenn eine neue Verordnung beispielsweise eine bestimmte Anzahl von Rauchmeldern pro Stockwerk vorschreibt, lässt sich mit nur einer einzigen Datenbankabfrage bestimmen, ob das Gebäude die neuen Vorschriften erfüllt. „Bei Nutzung eines digitalen Zwillings ergeben sich außerdem neue Ertragsmodelle und Geschäftschancen“, weist Löffler auf das Zukunftspotenzial hin. „Der Gebäudeeigentümer könnte zum Beispiel anhand von Apps, die auf den vom Gebäude generierten Daten aufbauen, Mietern oder Lieferanten neue Serviceleistungen anbieten. Entwickler könnten wiederum die Gebäudedaten nutzen, um Apps zum Verkauf an Mieter und andere Stakeholder zu entwickeln.“ Der digitale Zwilling schaffe also neue Möglichkeiten für Gebäudeeigentümer, Mieter, Nutzer und Facility-Manager. „Denn in Gebäuden, die einen digitalen Zwilling haben, sprechen eben nicht nur die Mauern Bände, sondern auch Thermostate, Räume, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik-Anlagen oder Brandmeldesysteme – genau genommen das gesamte Gebäude.“

Wie sich Konzept und Idee von digitalen Zwillingen insbesondere auf den Energiebereich von Gebäuden anwenden lassen, wird gerade an der RWTH Aachen, Deutschlands größter Universität für technische Studiengänge, erforscht. „energyTWIN“ lautet der Projektname, bei dem ein Verfahren für die (automatisierte) Erzeugung eines digitalen Zwillings bei der Inbetriebnahme der Gebäudetechnik entwickelt wird. Ziel ist es, die komplexen Zusammenhänge in der technischen Gebäudeausrüstung und -automation zu erfassen und in einer für den Menschen verständlichen Form aufzubereiten.

Künstliche Intelligenz im Einsatz

„Die Komplexität der Energiesysteme, die mit den Nutzern interagieren, ist künftig nur durch den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) beherrschbar“, sagt Christoph van Treeck vom Lehrstuhl für Energieeffizientes Bauen an der RWTH Aachen. Das innovative Projekt kombiniere erstmals die bild- und lasergestützte geometrische und semantische Erfassung von Gebäude- und Anlagenkomponenten mit der gleichzeitigen Erfassung elektronischer Daten aus der Gebäudeautomation. So entsteht ein virtuelles Gebäudemodell, das nicht den Planungs-, sondern den Ist-Zustand abbildet: der „energyTWIN“. Dieser ermöglicht Simulationen von möglichen Veränderungen im System zur Optimierung des Energiebedarfs. Soll das Bauwerk beispielsweise als Energiequelle oder -speicher (Prosumer) dienen, kommt oftmals komplizierte Regelungstechnik zum Einsatz. Das System würde hier bei der Inbetriebnahme oder auch bei der Wartung unterstützen, unter anderem durch Abgleich zwischen Soll und Ist von Betriebszuständen. „Mit unserem KI-basierten Ansatz ermöglichen wir Energieeffizienz-Optimierungen über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken“, betont Jörg Blankenbach vom Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme. 

Ökologischer Fußabdruck

Standen bisher beim umweltschonenden Gebäudedesign Rohstoffe und Maschinen – und damit die Materialbeschaffung und die Bauphase – im Fokus, so scheint die smarte Digitalisierung proaktivere und nachhaltigere Möglichkeiten zu bieten. Das gilt speziell für die Betriebsphase, in der die Auswirkungen eines Gebäudes auf die Umwelt am größten sind. Die Proponenten des intelligenten digitalen Managements von Diensten und Systemen sind jedenfalls überzeugt, dass Gebäude ihre Performance entscheidend verbessern, wenn sie automatisch auf veränderte Nutzungsbedingungen reagieren und – im Zuge der kommenden Vernetzung von Gebäuden  – auch voneinander lernen.

„Die Digitalisierung sorgt für Nachhaltigkeit in allen Bereichen. Sie kann die Effizienz durch Optimierungen steigern, die weit mehr als nur die Funktionen des aktuellen Gebäudemanagementsystems betreffen“, meint Ruairi Revell, Sustainability Advisor Real Estate beim britischen Unternehmen Standard Life Investments, und weiter: „Außerdem trägt sie entscheidend zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Nutzer bei. Deren zunehmendes Interesse an der Luftqualität wird die Vermieter veranlassen, das Raumklima digital zu überwachen und zu verbessern.“

Um bis zu 80 Prozent lasse sich der ökologische Fußabdruck eines Gebäudes durch Digitalisierung und Vernetzung gegenüber dem eines durchschnittlichen Gebäudebestands verringern. Das würde im Vergleich zum Smart Home eine deutlich substanziellere Erleichterung bringen, wenn es um die Bekämpfung der von der Immobilienbranche maßgeblich mitbestimmten Ursachen des Klimawandels geht. Dass die vom enormen Datenaufkommen verursachten Klimaauswirkungen in diese Rechnung noch nicht einfließen, relativiert die optimistischen Prognosen. So oder so herrscht kein Zweifel unter Experten, dass die digitale Transformation drauf und dran ist, die Gebäudeautomation, das Bauwesen und das Immobilienmanagement zu revolutionieren.

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