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Die Stadt der Zukunft ist intelligent und grün

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Tropenhitze, Luftverschmutzung und Lärm: Städte brauchen smarte Lösungen, um klimafreundlich und lebenswert zu werden.

Seit 2008 leben erstmals in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen in den Städten als auf dem Land. In dreißig Jahren könnten es laut Prognosen sogar zwei Drittel sein. Bis 2030 sollen in Wien zwei Millionen Menschen leben – 1995 waren es noch 1,5 Millionen. Mit dem Run auf Großstädte steigen Probleme wie Luftverschmutzung, Staus und Energieverbrauch. Der aktuelle Klimastatusbericht im Auftrag des Klima- und Energiefonds weist auf rasante Klimaveränderungen hin, die sich auch auf das Städtegeschehen auswirken.

Smart-City-Rahmenstrategie

Die Antwort, um große Städte lebenswert und klimafreundlich zu gestalten, ist die Smart City. Auch Wien hat eine Smart-City-Rahmenstrategie, die 2014 vom Wiener Gemeinderat beschlossen und 2019 noch einmal nachgeschärft wurde. Sie wurde etwa um den Fokusbereich „Digitalisierung“ und um aktualisierte Klimawerte erweitert. Die Strategie ist langfristig bis ins Jahr 2050 ausgelegt und soll Orientierung bieten. Herausforderungen im Städtebau im Rahmen der Urbanisierung und im Blickwinkel der Digitalisierung müssen rechtzeitig gelöst und mitgedacht werden – statt nachzubessern. Die Stadt der Zukunft muss digital sein, aber auch nachhaltig und klimabewusst. Solche eher abstrakten Herausforderungen müssen dann in der Städteplanung konkretisiert werden. Was bedeutet das für den einzelnen Bürger?

Per Klick zur neuen Stadt

Ein Wolkenkratzer hier, ein Baum dort und Sitzbänke, die zum Verweilen einladen, sowie umfangreiche Kommunikationsmöglichkeiten: Per Fingerschnipp entstehen neue Stadtteile, Häuser und Begegnungszonen. Das City Intelligence Lab, ein internationales Vorzeigeprojekt der digitalen Städteplanung mit Standort in Wien, macht per Virtual-Reality-Brille ganze Stadtteile virtuell erlebbar. Seit Herbst 2019 ist das AIT Austrian Institute of Technology um einen Forschungsbereich mit direkter Praxisnähe erweitert worden. Das multidisziplinäre 60-köpfige Team rund um Stadtplaner, Meteorologen oder Mobilitätsexperten hat eine innovative Stadtplanungsplattform entwickelt, die innerhalb weniger Sekunden Stadtteile hochziehen kann – dabei wird auf „Big Data“ und einen intelligenten Computer gesetzt.

Aktuell werden Projekte beispielsweise in Frankfurt, im zehnten Wiener Gemeindebezirk oder in Usbekistan umgesetzt. Entsteht etwa ein neues „Grätzel“, kann dieses, obwohl es noch nicht gebaut wurde, per Virtual Reality vorab besucht werden. Dabei wird kein rein digitaler Ansatz verfolgt. Die VR-Anwendungen, mit denen man Stadtteile direkt erleben kann, können auch ohne Brille per Smartphone oder Tablet aufgerufen werden. „Jüngere tun sich sehr leicht, ältere Bevölkerungsgruppen sollen aber auch eingebunden sein, sonst entsteht eine digitale Exklusivität, die nicht abbildet, was in einem Stadtteil passiert.“ Daher wird die digitale Anwendung mit analogen Features kombiniert. So wird Bevölkerungsgruppen ohne Smartphone die Beteiligung bei eigenen Bürgerevents angeboten. Die Plattform will, ähnlich einer sich entwickelnden Stadt, alle Perspektiven abbilden. „Man kann das Lab auf jedem Smartphone oder Tablet mitnehmen. Das ermöglicht auch die interaktive Teilnahme direkt vom Bürger.“ Denn gerade im Städtebau kennen vor allem die betroffenen Anwohner die Problemzonen wie Hitzeinseln oder fehlende Grünoasen ihres Grätzels am besten. Wieso sollte man sie also nicht in die Planung via Plattform mit einbeziehen? Über Augmented Reality können Bäume geplant und per Software sofort der direkte Nutzen abgelesen werden: Wird es dadurch kühler? Wie teuer würde das sein? „Das ist auch wichtig, um ‚Awareness‘ zu schaffen. Alles, was mit Klima zu tun hat, ist immerhin ein sehr abstraktes Thema“, meint Neubert, und ein emotionales.

Digitaler Städtebau

Plant sich die Stadt der Zukunft gar selbst? Angst davor, ersetzt zu werden, müssen Städteplaner (noch) nicht haben, denn das Team sieht die Plattform nicht in eine starre „Watson“-Chatbot-Richtung gehen, jener berühmten künstlichen Intelligenz, die nach der Eingabe eines Befehls sofort eine Antwort ausgibt und die durchaus menschlich sein will. „Niemand möchte, dass echter Lebensraum komplett von der Maschine erschaffen wird“, erklärt Nikolas Neubert, Head of Competence Unit Digital Resilient Cities am Center for Energy des AIT. „Die Plattform des City Intelligence Lab schafft neue Erkenntnisse, durch die man Städte besser planen kann. Städteplaner werden nicht überflüssig, sondern ihre Rolle verändert sich. Sie bekommen völlig neue Werkzeuge, um besser planen zu können.“

Tropenhitze Innenstadt

Städte sind sehr unterschiedlich und langfristig geplant – Paris, Berlin, Barcelona oder Wien haben im Vergleich eine völlig andere Stadtgestaltung. Das Wiener Modell der Innenstadt ist beispielsweise extrem dicht und im innerstädtischen Bereich gibt es nur wenige Grünflächen, obwohl in Wien grundsätzlich pro Anwohner viele Grünflächen vorhanden sind. Es besteht eine Ungleichverteilung, weswegen die innerstädtische Bevölkerung unterversorgt ist. Interessant ist hier, welche Maßnahmen gesetzt werden können.

Kleine Maßnahme, große Wirkung

Oft können kleine Veränderungen, wie schattenspendende Begrünung oder Baumpflanzungen sowie der Einsatz von Sprinkleranlagen ausreichen, um die Anzahl an tropischen Sommernächten mit über 20 Grad Celsius, die es längst auch bei uns gibt, zu reduzieren und etwas Kühlung zu ermöglichen. Das muss auch nicht viel kosten und ist schnell umgesetzt. „Das Instrumentarium, das wir entwickelt haben, erhöht die Qualität der Städteplanung und die der getroffenen Entscheidungen. In einer Stadt gibt es eine Vielzahl von Abhängigkeiten. Mit unseren digitalen Planungsinstrumenten können diese dargestellt und die verschiedenen Anforderungen gegeneinander optimiert werden.“ Ein Wegweiser hin zu einer Smart City, in der alles vernetzt ist. Denn, „die Digitalisierung der Städte kommt – die Frage ist daher nicht ‚ob‘, sondern ‚wie‘“, so Neubert.

Die Stadt als Museum

Auf dem Weg hin zu mehr digitalen Features, setzt die Stadt auch auf Bürgerbeteiligung. Auf open.data.gv werden Datensätze der Verwaltung publiziert, die für alle öffentlich und kostenlos abrufbar aufbereitet sind. Über 33.000 Datensätze können abgerufen werden, Hunderte digitale Anwendungen sind online. Wiener Beispiele sind Echtzeitinfos der Wiener Linien, historische Luftbildaufnahmen oder das digitale Baumkataster. Die geprüften Daten können und sollen von Privatpersonen und Unternehmen dazu verwendet werden, Apps zu programmieren, die das Leben vereinfachen. Die abrufbaren Daten sind nicht personenbezogene Informationen und werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Die mobile App „Flano“ beispielsweise macht Wien zum Museum und teilt Informationen zu Kunstwerken im öffentlichen Raum. Ob Denkmal oder Street-Art, Flano zeigt Infos an, die man auch mit Freunden teilen kann. Das Datenset dahinter basiert auf dem Katalog „Kunstwerke im öffentlichen Raum Standorte Wien“ und wurde von Dominik Eitler und Max Irendorfer im Rahmen eines TU-Wien-Projekts zur App gemacht – seit April ist diese für iOS- und Android-Nutzer verfügbar. Die Idee stammt von Informatikprofessor Peter Purgathofer, dem Betreuer der Bachelorarbeit, aus der die App entstanden ist. Der Quellcode der App ist Open Source, das heißt, die beiden Informatiker haben den Programmcode öffentlich gemacht und die App kann von jedem anderen Entwickler weiterentwickelt werden. Sie verdienen mit dem Projekt zwar kein Geld, aber haben die Vision, nach Wien auch in andere Städte und Länder zu gehen und Partnerschaften mit Kunstinstitutionen zu schließen. „Wir wollten die Kunst möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Über 2000 Kunstwerke gibt es allein im Datensatz in Wien– und davon weiß niemand.“ Der Name zur App sei ihnen beim Spazieren eingefallen: „Flano kommt von ‚flanieren‘ – wir sind im Lockdown oft herumflaniert, ohne Ziel, nur damit man einfach einmal rauskommt.“

Überhaupt sieht man auf data.gv.at, dass einige Anwendungen während der Coronapandemie entstanden sind: Visualisierungen zum Stand der Belegung von Intensivbetten, Datenanwendungen, die Corona-Fallzahlen aufbereiten, auf Bezirke herunterbrechen oder aufzeigen, welches Bundesland von Ausreisebeschränkungen betroffen ist.

Daten fürs Start-up

Bald werden es noch viel mehr Datensätze sein, denn das in Arbeit befindliche Informationsfreiheitsgesetz, das mehr Transparenz in Politik und Verwaltung bringen wird, bedeutet für data.gv.at, dass neue Datensätze von Institutionen der öffentlichen Verwaltung maschinenlesbar über die Open-Data-Plattform online kommen und gratis zur Verfügung gestellt werden. Kleine und große Unternehmen, Start-ups oder auch Private – Programmierer oder Start-up-Unternehmer – können diese Rohdaten dann selbst verwerten und zum Beispiel wie Flano eine App oder andere Anwendungen entwickeln. Es können und sollen dabei durchaus auch neue Geschäftsfelder erschlossen werden – innovatives „Outsourcing“ quasi, denn die heimische Wirtschaft profitiert im besten Fall von den Ideen und auch auf Start-ups wirkt Österreich durch die Open Data Initiative attraktiver. Und die Daten gibt es sowieso.

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