Ural Tourist

Ein gutes Gespann

(c) Juergen Skarwan
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Robert Böhm und Asco, unterwegs auf einem Ural-Gespann, das nur uralt aussieht.

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»Produziert wurde nahe Moskau, bis der Lizenzgeber anrückte.«

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»Hauptmarkt USA, Die Gespanne haben eine zivile Fangemeinde«

Der Partner mit der kalten Schnauze heißt Karl Asco von der Bande mit vollem Namen (Asco unter Freunden reicht), wurde letzten April fünf Jahre alt und wäre eine eher unerfreuliche Begegnung, sollte man des Nachts unbefugt ins Böhmsche (und damit Ascos) Revier in Wien Donaustadt eindringen. Asco ist nicht die Sorte von Wachhund, die sich von einem über den Zaun geworfenen Knackwursti austricksen ließe, der stellt den Eindringling, und dann wäre es gut, wenn Robert Böhm bald herbeieilte, um mit entsprechenden Kommandos gröbere Andenken an einen missglückten Einbruch zu verhindern. Asco ist nämlich zur Schule gegangen und hat die IGP – Internationale Gebrauchshundeprüfung – auf Stufe drei abgeschlossen, der höchsten. Nicht viele Hunde kämen soweit, sagt Robert Böhm. Fährte, Verteidigung, Gehorsam: Das dazugehörige Regelwerk ist 96 Seiten stark, keine Tricks, keine Fehler erlaubt. Es handelt sich also um weit mehr als ein paar Hundekunststücke, es ist richtige Arbeit, wenn auch vieles davon Spiel fürs Tier sein mag. Robert Böhm hat sie sich gern gemacht, was bedeutet: von früh auf und mit größter Konsequenz, aus Leidenschaft und schon mit einiger Erfahrung (zärtlich denkt er an Zorro, Acco und Asso zurück). Es sei die Kunst, sagt Böhm, das Tier nicht zu brechen.
Was soll unsereiner sagen: Es ist auf jeden Fall wohltuend, zur Abwechslung einmal einem Hund zu begegnen – zumal 45 Kilogramm aus Fell, Muskeln und Zähnen –, der seinem Besitzer nicht nur dann und wann ein Öhrchen leiht.

Robert Böhm steht einem Wiener Zimmereibetrieb in mittlerweile vierter Generation vor, und was mit Familie, Hundeerziehung, Laufsport und Rudern noch nicht ausgefüllt ist, bleibt für Autos und Motorräder übrig. Bikes von BMW spielen dabei eine gewichtige Rolle, und damit sind wir schon auf der Fährte seines Ural-Gespanns. Dieses könnte man für alt und russisch (in jeder Hinsicht) halten, wobei aber nur die russische Herkunft zutrifft.

Ural werden seit den 1930ern mehr oder minder unverdrossen produziert, heute jedoch auf neuestem Stand, erfüllen etwa die Euro-5-Norm, vor der etwa Harley-Davidson gekniffen hat (und ausgerechnet den Bestseller Sportster im Vorjahr in Europa vom Markt nahm). Bei der Ural hingegen fehlt nichts bis hin zur Klappensteuerung für die Kats und zur Kohlefilteranlage für die Tankausdünstungen. Auch sonst ist rundum hochwertige Technik verbaut: dreimal Brembo-Anker, Marzocchi-Telegabel, fünffach verstellbare Stoßdämpfer und einiges mehr. Dass Maschine und Beiwagen von BMW-R71-Gespann abstammen, ist dabei kein Widerspruch. Die bemerkenswerte Geschichte dieses Techniktransfers geht bis in die späten 1930er-Jahre zurück, Historiker haben schnell den Hitler-Stalin-Pakt zur Hand, der ihn ermöglichte. Als die Fertigungsstätten des russischen BMW-Derivats nahe Moskau – da wurden schon Zigtausende produziert – durch den heranrückenden, wenig verlässlichen deutschen Bündnispartner in Gefahr gerieten, verlegte man die Produktion kurzerhand 2000 Kilometer nach Irbit im Uralgebirge.
Die Irbitski Motozikletny Sawod hörte über all die Jahrzehnte nie auf zu produzieren, großteils für militärische Abnehmer. Seit einigen Jahren sind russischstämmige Amerikaner am Lenker, die aus dem alten Riesenwerk einen kleinen, modernen Betrieb mit hoher Exportquote formten. Die Gespanne dienen heute dem zivilen Plaisir einer verschworenen Fangemeinde aus Enthusiasten und Outdoor-Freaks, die sich zum Beispiel über die hervorragende Geländegängigkeit des Werkls freuen (der Beiwagenaufsatz für ein Maschinengewehr ist nicht mehr im Programm). Außerdem, auch nicht ganz unwichtig, ist Ural der letzte verbliebene Kompletthersteller von Gespannen.

Das entfachte Robert Böhmens Interesse, aus Freude an der Technik und der schlichten Extravaganz, der ein luftgekühlter Zweizylinder-Boxer natürlich erstklassig ansteht.
Und nicht nur Asco musste Lehrzeit investieren, um sich im Beiboot richtig wohlzufühlen, ein bisschen aufgeregt ist er immer noch, wenn sich der Boxer warmschüttelt.

„Man kann es nicht mit Motorradfahren vergleichen“, sagt Böhm, „wenn du Gas gibst, zieht es nach rechts, beim Bremsen nach links“, der Trägheit des nicht angetriebenen Beiwagens geschuldet (den Durchtrieb gibt es optional, ist aber nur im Gelände sinnvoll). Erst recht Kurvenfahren will mangels Schräglage gelernt sein, selbst für einen Zweirad-Routinier wie Böhm, der sich der Sache respektvoll annährte. Dazu schwingt und hupft es in einer Tour, „an das Unruhige muss man sich erst gewöhnen“. Naturgemäß besser läuft alles, wenn der Beiwagen besetzt und somit stabilisiert ist, neben Asco etwa mit Roberts Frau Karin, die eine kundige Sozia ist und abenteuerlichen Ausritten selten abgeneigt (quer durch Rumänien, auf einen Rutsch zur Isle of Man, you name it).

(c) Juergen Skarwan

Ein Gespann fürs Leben

Der MG-Aufsatz ist nicht mehr im Programm, sonst aber viel Zubehör. Importeur und spiritueller Ural-Botschafter: Congenia, Marchtrenk.

Name : Ural Tourist
Preis : 18.200 Euro
Motor : 2-Zylinder-Boxer, 745 ccm
Leistung : 40 PS
Getriebe : 4-Gang, Rückwärtsgang
Gewicht : 320 kg
0-100 km/h : ja
Vmax : 105 km/h
Verbrauch: ca. 5 l/100 km

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